Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. überprüft regelmäßig die Höhe der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege für die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Kosten für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen und passt diese in seinen Empfehlungen einer eventuellen Steigerung der Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte an. Zudem prüft er, ob Änderungen der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung bzw. der Rentenversicherung erfolgt sind, die zu einer Anpassung seiner Empfehlungen führen.
Monatliche Pauschalbeträge für die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen
Hinsichtlich der Kosten für den Sachaufwand ergeben sich auf der Grundlage der aktuellen Sonderauswertung sowie unter Berücksichtigung einer Erhöhung der Verbraucherpreise um 1,4 % gegenüber dem Vorjahr die aus der Tabelle ersichtlichen Werte:
Fordert eine leibliche Mutter oder ein leiblicher Vater die
Herausnahme eines Kindes aus seiner Pflegefamilie, so können
Pflegeeltern sich hiergegen regelmäßig gut und effektiv wehren, indem
sie einen Verbleibensantrag stellen. Diese Möglichkeit hat ihnen der
Gesetzgeber nach § 1632 IV BGB eingeräumt. Nach dieser Vorschrift können
Pflegeeltern beantragen, dass das Pflegekind bei ihnen verbleibt. Dem
Verbleibensantrag muss entsprochen werden, wenn im Falle der Herausnahme
das Kindeswohl gefährdet wäre. In solchen Verfahren prüft das
Familiengericht letztlich zwei Kernargumente. Zum einen wird geprüft, ob
der Elternteil überhaupt über die zu fordernde Erziehungsgeeignetheit
verfügt, ob dieser also überhaupt (wieder) in der Lage wäre, das Kind
selbst zu pflegen und zu erziehen. Aber selbst wenn Kindeseltern sich
hier wieder stabilisiert haben, heißt dies keineswegs, dass ein Kind
dann aus seiner Pflegefamilie herausgenommen werden kann. Denn ein Kind
kann hier nur eine gewisse Zeit auf die Stabilisierung seiner leiblichen
Eltern warten. Gerade dann, wenn das Kind sich in der
bindungssensitiven Phase befindet, bindet es sich natürlich an seine
Pflegeeltern. Ist hier eine zu starke Bindung entstanden, dann kann ein
Abbruch dieser Bindung für das Kind einen lebenslangen Schaden bedeuten.
In diesem Fall muss das Kind bereits wegen der schädlichen Folgen des
Bindungsabbruchs bei seinen Pflegeeltern verbleiben. Dies muss auch dann
gelten, wenn die leiblichen Eltern etwa inzwischen wieder in der Lage
wären, ein Kind grundsätzlich zu pflegen und zu erziehen.
In einem vom Verfasser bearbeiteten Fall hat das OLG Hamm dies in
einer Entscheidung sehr kindzentriert betont. In diesem Fall begehrte
die leibliche Mutter die Herausnahme ihres Kindes aus der Pflegefamilie.
Sie hatte in der Zwischenzeit ein weiteres Kind auf die Welt gebracht,
welches sie (mit Hilfen) selbst großziehen kann. Dennoch hat in zweiter
Instanz das OLG Hamm die Entscheidung des Amtsgerichtes gegen die
Beschwerde der Kindesmutter bestätigt, dass das Kind in der
Pflegefamilie verbleiben muss. Es hat klargestellt, dass der Verbleib
völlig unabhängig von der (in diesem Fall allerdings sehr kritisch
eingeschätzten) Erziehungsgeeignetheit der Kindesmutter anzuordnen ist,
und zwar alleine wegen der Folgen des Bindungsabbruchs. Wörtlich führt
das OLG Hamm in der Entscheidung aus:
„Unabhängig davon hat das Kind zu den Pflegeeltern, insbesondere zu
der Pflegemutter (…) zwischenzeitlich derartig sichere und tragfähige
Bindungen entwickelt, dass eine Herausnahme des Kindes zu einem
Bindungsabbruch und zu einer erheblichen Verunsicherung des Kindes
führen würde und damit das Kindeswohl in einem nicht vertretbaren Maße
gefährdet würde. (…) Eine Herausnahme des Kindes aus dieser Umgebung
wäre gleichbedeutend mit einem erneuten tiefen Bruch in seinem Leben,
durch den die gesunde Entwicklung des vorbelasteten Kindes zur
Disposition gestellt würde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund,
dass bereits durch den vormaligen Wechsel zunächst in den Haushalt der
Pflegeeltern, dann zurück in den Haushalt der Kindesmutter und dann
zurück in den Haushalt der Pflegeeltern im Jahre 2005 bereits mehrfach
Trennungserfahrungen hat machen müssen, so dass von einer erhöhten
Vulnerabilität des Kindes auszugehen und die Gefahr eines nicht mehr
behebbaren emotionalen Schadens gegeben ist“.
Die Praxis zeigt, dass Pflegeeltern ab einer gewissen Verfestigung
der Pflegedauer sehr gute Aussichten haben, das Kind vor einem Schaden
im Falle der Herausnahme zu schützen und den Verbleib in der
Pflegefamilie durchzusetzen. Der Verfasser konnte hier in einer großen
Vielzahl von Verfahren Verbleibensanordnungen für Pflegeeltern
durchsetzen. Dabei ist es in derartigen Verfahren natürlich stets von
großer Bedeutung, die Gefahren für das Pflegekind und aus Sicht des
Pflegekindes vorzutragen. Generell darf das Elternrecht nicht
unterschätzt werden und wird auch bei den Gerichten durchaus hoch
angesiedelt. Es gilt jedoch der ganz allgemeine Grundsatz, dass das
Elternrecht vom Kindeswohl verdrängt wird.
Die oben zitierte Entscheidung des OLG Hamm wird im PDF-download in anonymisierter Fassung im kompletten Wortlaut wiedergegeben:
Die vorliegende Expertise widmet sich dem Zusammenspiel
zwischen Pflegekinderhilfe und Vormundschaft, das bisher in Forschung
und Literatur wenig behandelt wurde.
Diese Schnittstelle wurde im Rahmen der Beschäftigung mit der
Weiterentwicklung der gesetzli-chen Grundlagen und der Praxis in der
Pflegekinderhilfe durch die Expert*innen des „Dialog-forums
Pflegekinderhilfe“ in den Blick genommen.
Den Hintergrund bildeten zum Einen die in der Praxis virulenten Kooperationsfragen: Aufgabenüberlappungen,
Komplexität der Fallkonstellationen und unterschiedliche Traditionen
und Perspektiven machen es in der Praxis nicht leicht, Vereinbarungen
zur Zusammenarbeit, die meist auf lokaler Ebene ausgehandelt werden, zu
erzielen.
Zum Zweiten stellt der gerade im Zuge der verstärkten Aufnahme von
unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten zunehmende Einsatz von
ehrenamtlichen Vormündern besondere Anforderungen an deren Gewinnung,
Auswahl, Qualifikation und Unterstützung.
Zum Dritten ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Expertise eine umfassende Neuformulierung des Vormundschaftsrechts in Planung. Das neue Recht soll auch Normen beinhalten, die Fragen der Kooperation insbesondere zwischen den Erziehungspersonen im Alltag und den Sorgeberechtigten (Vormund, Pfleger*in) betreffen und wird insofern eine neue Grundlage für das Kooperationsverständnis in der Praxis bieten.
In vielen Fällen sind Pflegeeltern selbst Vormünder für ihre Pflegekinder, haben also das gesamte Sorgerecht für diese übertragen bekommen. In vielen anderen Fällen wurde den Pflegeeltern vom Familiengericht zumindest Teilbereiche der elterlichen Sorge
übertragen, beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht
der Gesundheitsfürsorge, das Recht, in schulischen Angelegenheiten zu
bestimmen oder das Recht, Hilfe zur Erziehung zu beantragen. Letzteres,
also eine teilweise Sorgerechtsübertragung, lässt sich in der Praxis
oftmals durch die Vorschrift des § 1630 III BGB bewirken. Hiernach
können Pflegeeltern beantragen, Sorgerechtsteilbereiche übertragen zu
bekommen, wobei der Antrag jedoch die Zustimmung der sorgeberechtigten
Kindeseltern voraussetzt.
Unstreitig können Pflegeeltern, die Vormund für ihr Kind sind, hierfür eine sogenannte Aufwandsentschädigung
erhalten. Dies ist in § 1835 a BGB geregelt. Die Aufwandsentschädigung
soll die Kosten zur Führung der Vormundschaft pauschaliert abgelten. Der
Anspruch entsteht gegen die Staatskasse, wenn das Mündel, also das
Pflegekind, einkommenslos ist (§ 1836 a BGB). Haben Pflegeeltern die
Vormundschaft als Ehepaar, so kann jeder Ehepartner die
Aufwandsentschädigung beantragen. Nach unseren Erfahrungen wird dieser
Antrag oft aus Unkenntnis unterlassen. Zu beachten ist, dass die Aufwandsentschädigung erstmals ein Jahr nach Bestellung des Vormundes gezahlt wird. Diese muss jedoch binnen 3 Monaten nach Ablauf des Jahres , in dem sie entstanden ist, geltend gemacht werden.
Anderenfalls erlischt der Anspruch! Bei der Frage, wann diese Frist zu
laufen beginnt, hat sich inzwischen die Auffassung durchgesetzt, dass
dies jeweils das Jahresende ist. Nach der Rechtsprechung des OLG
Frankfurt/M. (FamRZ 2005, 393) beginnt diese Ausschlussfrist mit dem
Ende des jeweiligen Kalenderjahres, in welchem das Betreuungsjahr
geendet hat und läuft somit jeweils am 31. März ab. Dies vertritt
jetzt auch ausdrücklich Palandt-Diederichsen (66. Aufl. 2007, § 1835 a
Rn 6). Es wird daher dringend empfohlen, dass der Antrag jeweils
spätestens bis zum 31.03. eines jeden Jahres geltend gemacht wird. Zur
Fristwahrung genügt die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem
Gericht.
Umstritten war bislang die Frage, ob Pflegeeltern einen Anspruch auf
diese Entschädigung auch dann haben, wenn sie nicht Vormund sind,
sondern nur einzelne Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen
bekommen haben. Hier wurde häufig von Gerichten eingewendet, die
Aufwandsentschädigung stünde nur Vormündern zu. Im Übrigen jedoch wäre
sie ausgeschlossen, da die Pflegeeltern ja auch Pflegegeld erhalten
würden. Hierzu sind inzwischen mehrere positive Entscheidungen für
Pflegeeltern ergangen.
So hat das OLG Stuttgart (Beschluss vom 06.12.2005, FamRZ 2006, 1290 f.) festgestellt:
„Pflegepersonen, denen nach § 1630 III BGB Angelegenheiten der
elterlichen Sorge übertragen wurden, haben einen Anspruch auf
Aufwandsentschädigung nach § 1835 a BGB. Einer Bestellung zum Pfleger
bedarf es hierzu nicht.“
Das OLG führt in den Gründen aus:
„§ 1630 III Satz 3 BGB führt zu einer entsprechenden Anwendung der
Vorschriften über die Rechte und Pflichten eines Pflegers, soweit diese
nicht gerade die förmliche Stellung des Pflegers betreffen. (…) Danach
haben Pflegepersonen gem. §§ 1630 III Satz 3, 1915 I, 1835 a BGB einen Anspruch auf Aufwendungsersatz.
Im Umfang der Übertragung hat die Pflegeperson nicht nur die Pflichten,
sondern auch die Rechte eines Pflegers. Zu den Rechten des Pflegers
gehört nach §§ 1915 I, 1835 ff. BGB der Anspruch auf Aufwendungsersatz
oder Vergütung. Weder aus dem Gesetzeswortlaut des § 1630 III noch aus
dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass einer
Pflegeperson ein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 1835, 1835 a BGB nicht
zustehen sollte. Es ist nicht einzusehen, warum eine Pflegeperson, die
die Aufgaben eines Pflegers für bestimmte Bereiche wahrnimmt, im
Hinblick auf die Aufwandsentschädigung nicht so gestellt werden sollte
wie ein Pfleger. Ebenso wie z.B. ein Ergänzungspfleger nach § 1909 I BGB
haben deshalb Pflegepersonen, denen Angelegenheiten der elterlichen
Sorge übertragen wurden, einen Aufwendungsersatzanspruch aus § 1835 a
BGB, wobei hierfür die förmliche Bestellung in Abweichung der Regelung
für den Pfleger und den Vormund nicht Anspruchsvoraussetzung ist.“
Auch das OLG Hamm hat sich etwa dieser Auffassung angeschlossen. Im
Beschluss vom 27.07.2006 (6 WF 80/=6 OLG Hamm, soweit ersichtlich
unveröffentlicht) führt das OLG aus, dass dem Anspruch für Pflegeeltern
auf eine Aufwandsentschädigung nicht entgegensteht, dass die
Pflegeeltern „für beide Kinder Pflegegeld und Kindergeld beziehen“. Die
Verwaltungsabteilung des OLG hat in dieser Angelegenheit eine umfassende
Prüfung der Rechtslage angefertigt, auf welche sich das OLG in seinem
Beschluss bezieht. In dieser Stellungnahme der Verwaltungsabteilung wird
zutreffend ausgeführt:
„Den Pflegeeltern steht für die Wahrnehmung ihrer faktischen
Pflegetätigkeit aber keine Vergütung im eigentlichen Sinn zu. Das den
Pflegeeltern gewährte Pflegegeld ist zweckbestimmt zur täglichen
Versorgung und Erziehung des Pflegekindes (MüKo-Strick Rn 4 zu § 33 SGB
VIII und Rn 2 ff zu § 239 SGB VIII). Als solches ist es unpfändbar
(Bundesgerichtshof, NJW-RR 2006, 5) und wird auch sozialhilferechtlich
nicht als Einkommen der Pflegeeltern gewertet (OVG Münster, FamRZ 1996,
900). Dementsprechend ist dem Erlass über die Festsetzung der
Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege, die für die beiden Kinder derzeit
jeweils 693,00 € betragen und die sich aus einem Anteil für materielle
Aufwendungen und Kosten der Erziehung zusammensetzen (…) ausgeführt,
dass diese Beträge den gesamten Lebensbedarf der Kinder einschließlich
der Kosten ihrer Erziehung umfassen. Zu diesem Lebensbedarf gehören die
Kosten der Wahrnehmung der nach § 1630 III BGB übertragenen Aufgaben
nicht. Das zeigt zum einen der Umstand, dass sich das Pflegegeld nicht
erhöht, wenn der Aufgabenkreis und das Haftungsrisiko für die
Pflegeeltern durch Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge
nach § 1630 III BGB erweitert wird. Zum anderen erwachsen den
Pflegeeltern aus dieser Stellung eigene Verpflichtungen gegenüber dem
Gericht (…). Wegen des Pauschalcharakters kann (…) die
Aufwandsentschädigung des § 1835 a BGB in voller Höhe verlangt werden
(Bienwald in Anm. zu BayOblG, FamRZ 2002, 1222).“
Im Ergebnis ist daher auch allen
Pflegeeltern, welche (nur) Teilbereiche der elterlichen Sorge für ihre
Pflegekinder innehaben, anzuraten, entsprechende Anträge auf
Aufwandsentschädigung zu stellen. Auch dies muss innerhalb der oben
dargestellten 3-Monatsfrist geschehen, damit der Anspruch nicht
erlischt.
Eine Reihe guter rechtlicher und pädagogischer Gründe spricht
dafür, dass bevorzugt Pflegeeltern anstelle von Jugendämtern Vormund
ihrer Pflegekinder sein sollten. Rechtlich besteht ohnehin ein
entsprechender Vorrang.
Dennoch müssen Vormundschaften für Pflegeeltern in der Praxis häufig
gegen den Willen von Jugendämtern durchgesetzt werden. Regelmäßig
entscheiden die Gerichte hierbei jedoch im Sinne der Pflegeeltern.
In jüngster Zeit hat etwa das LG Frankfurt am Main und das LG
Wiesbaden die Vormundschaft jeweils mit sehr kindeswohlbezogenen
Argumenten auf die Pflegeeltern übertragen.
Das LG Frankfurt/M. hat in seinem Beschluss vom 16.02.2009 (FamRZ 09, 2103) ausgeführt:
1.
„Die Entlassung des Amtsvormundes und die Bestellung der Pflegeeltern zu
Einzelvormündern dient dem Wohl der betroffenen Kinder. Die mit der
Übertragung der Vormundschaft einhergehende größere rechtliche
Verbundenheit der Pflegeeltern zu den betroffenen Kindern und die
dadurch erhöhte Sicherheit, dass die Verbindung aufrechterhalten bleibt,
spricht ganz entscheidend für eine Übertragung der Vormundschaft auf
die Pflegeeltern.
2.
Es ist für die betroffenen Kinder von erzieherischem Vorteil, wenn sie
erleben, dass die emotionale Bezugsperson auch rechtliche Befugnisse
hat“.
Das LG Wiesbaden (Beschluss vom 03.09.08, FamRZ 09, 2103) führt aus:
1.
Die Bestellung geeigneter Einzelvormünder hat grundsätzlich Vorrang vor
einer Amtsvormundschaft, da die Einzelvormünder dem Wohl des Mündels im
allgemeinen besser und individueller dienen können als ein Amtsvormund.
2.
Gerade für ein Kind, das sehr sensibel und schnell verunsichert werden
kann, sind stabile Lebensverhältnisse und verlässliche Bezugspersonen
wichtig. Diese Stabilität und Verlässlichkeit kann dem Kind vermittelt
werden, wenn seine „sozialen“ Eltern künftig auch in der Lage sind, die
erzieherischen Entscheidungen eigenständig zu treffen.
Etwas älter aber immer noch aktuell ist auch die sehr kindzentrierte
Entscheidung des LG Hannover, die Sie unter „Wichtige Entscheidungen“
finden.
Pflegeeltern seien daher ermutigt, die Übernahme der Vormundschaft
anzustreben, da dies eine deutlich größere Rechtssicherheit für die
Pflegefamilie mit sich bringt.
Allerdings sei Pflegeeltern geraten, einen solchen Antrag nicht ohne
anwaltliche Beratung und Unterstützung zu stellen. Hier sollte aufgrund
der Familienrechtsreform vorsichtiger vorgegangen werden. Denn seit dem
01.09.2009 und der Geltung des FamFG ist nunmehr das Familiengericht für
die Entlassung des Amtsvormundes und die Bestellung eines
Einzelvormundes zuständig. Zuvor waren dies die Vormundschaftsgerichte.
Das FamFG hat die Vormundschaftsgerichte jedoch abgeschafft und an
dieser Stelle eine erweiterte Zuständigkeit des Familiengerichts
geschaffen. Anders als zuvor bei den Vormundschaftsgerichten werden die
Familiengerichte bei Prüfung nach Bestellung der Pflegeeltern als
Einzelvormünder nunmehr auch prüfen, ob nicht der Sorgerechtsentzug
gänzlich aufgehoben werden kann. Es muss hier also nun das Risiko
bedacht werden, dass ggf. das Gericht prüft, ob nicht das Sorgerecht
auch den leiblichen Eltern zurückübertragen werden kann. Denn nach § 166
FamFG iVm § 1696 BGB prüft das Familiengericht regelmäßig seine zum
Kinderschutz getroffenen Maßnahmen, so also auch einen
Sorgerechtsentzug. Die Vormundschaftsgerichte haben dies nach der
früheren Rechtslage nicht getan. Dies heißt natürlich keineswegs, dass
derartige Anträge zukünftig keinen Erfolg mehr haben. Es bedarf nun
jedoch zuvor einer sorgfältigen Abwägung. Nach Auffassung des
Unterzeichners ist die Rechtsprechung, welche bislang zum Vorrang der
Einzelvormundschaften ergangen ist, nach wie vor gültig und auch von den
Familiengerichten zu befolgen. Denn die entscheidenden gesetzlichen
Voraussetzungen für die Entlassung eines Amtsvormundes oder
Vereinsvormundes wurden nicht geändert. Dennoch bleibt nach der Reform
der Zuständigkeit und nunmehriger Abgabe dieser Aufgaben an das
Familiengericht die weitere Entwicklung abzuwarten. Einstweilen
empfiehlt sich daher zunächst jedenfalls eine sorgfältige Prüfung.
Viele Pflegeeltern stellen sich die Frage, ob sie die Religion
ihres Pflegekindes bestimmen oder eventuell ändern können. Häufig erhält
der Verfasser hier Anfragen von Pflegeeltern, ob nicht auch das
Pflegekind katholisch getauft oder evangelisch erzogen werden kann oder
ob das Kind eine sonst von den Pflegeeltern ausgeübte Religion annehmen
kann. Natürlich kann es von großer Wichtigkeit sein, dass ein Pflegekind
etwa die gleiche Religion annehmen kann, wie seine Pflegeeltern. Denn
gerade für Pflegekinder ist es wichtig, dass diese keine
Außenseiterposition in der Pflegefamilie einnehmen, sondern auch
hinsichtlich der gelebten Religion dazugehören. Oftmals ergeben sich
auch in stark religiös geprägten Gegenden Probleme, etwa wenn das
Pflegekind als einziges in der Klasse nicht katholisch ist und daher als
einziges Kind nicht an der Erstkommunion teilnehmen kann.
Grundsätzlich ist in der Praxis durchaus möglich, die religiöse
Zugehörigkeit eines Pflegekindes zu bestimmen, jedoch müssen einige
Besonderheiten berücksichtigt werden. Die erste und wichtigste Frage ist
insoweit, wer für das betroffene Pflegekind die elterliche Sorge
innehat. Denn das Recht, das religiöse Bekenntnis zu bestimmen, ist ein
Teil des Sorgerechtes für ein Kind. Mit anderen Worten: Grundsätzlich
kann (nur) der Inhaber der elterlichen Sorge die Religion des Kindes
bestimmen, wobei hier einige Besonderheiten zu beachten sind.
Steht die gesamte elterliche Sorge den leiblichen Eltern gemeinsam
zu, so können auch nur diese über die Religion des Kindes bestimmen.
Steht die elterliche Sorge etwa alleine der Kindesmutter oder dem
Kindesvater zu, so ist entsprechend auch nur die Kindesmutter oder der
Kindesvater hier-zu berechtigt. In rechtlicher Hinsicht ist dies im
Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15.07.1921 geregelt.
Dieses führt insoweit aus:
„§ 1 Über die religiöse Erziehung eines Kindes bestimmt die freie
Einigung der Eltern, soweit ihnen das Recht und die Pflicht zusteht, für
die Person des Kindes zu sorgen. Die Einigung ist je-derzeit
widerruflich und wird durch den Tod eines Ehegatten gelöst“.
Wenn also die elterliche Sorge noch bei den leiblichen Eltern oder
einem Elternteil liegt, kann leider das religiöse Bekenntnis eines
Pflegekindes nicht ohne entsprechende Zustimmung oder Einwilligung der
leiblichen Eltern geregelt werden. Weder Pflegeeltern noch Jugendamt
können dies in rechtlich zulässiger Weise tun.
Anders liegt die Sache jedoch, wenn das Sorgerecht gar nicht mehr den
leiblichen Eltern zusteht, sondern einem Vormund, etwa dem Jugendamt
oder den Pflegeeltern. Denn die Möglichkeit, das religiöse Bekenntnis
eines Kindes zu bestimmen, kann dann vom Vormund ausgeübt werden.
Es gelten jedoch hier zwei nachhaltige Besonderheiten:
Vormund hat nur Erstbestimmungsrecht bezüglich der Religion
Normalerweise kann ein Vormund alle Entscheidungen, welche der zuvorige
Sorgerechtsinhaber getroffen hat, wieder rückgängig machen. Hatten also
z.B. leibliche Eltern ein Kind in der A-Schule angemeldet und wurde
ihnen dann das Sorgerecht entzogen, so könnte der Vormund diese
Ent-scheidung der Eltern wieder rückgängig machen und das Kind, wenn er
dies aus Kindeswohlgründen für angezeigt hält, z.B. auf der B-Schule
anmelden. Dieser Grundsatz, dass getroffene Sorgerechtsentscheidungen
vom späteren Vormund abgeändert werden können, gilt jedoch nicht für die
Religion! Haben leibliche Eltern zu der Zeit, als ihnen das Sorgerecht
noch zustand, für ihr Kind bereits eine religiöse Bestimmung getroffen,
so kann ein Vormund diese Bestimmung nicht mehr abändern. Eine solche
Abänderung ist auch dann nicht mehr möglich, wenn etwa den Kindeseltern
das Sorgerecht entzogen wurde. Haben leibliche Eltern also vor einem
Entzug der elterlichen Sorge die Religion ihres Kindes bereits
„geregelt“, so ist dieses Recht gleichsam „verbraucht“. Ein späterer
Vormund kann diese religiöse Bestimmung dann nicht mehr ändern. Auch
dies folgt aus dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung. Dort heißt
es in § 3:
„§ 3 Steht die Sorge für die Person eines Kindes einem Vormund oder
Pfleger allein zu, so hat dieser auch über die religiöse Erziehung des
Kindes zu bestimmen. Er bedarf dazu der Genehmigung des
Familiengerichts. Vor der Genehmigung sind die Eltern sowie
erforderlichenfalls Verwandte, Verschwägerte und die Lehrer des Kindes
zu hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung oder un-verhältnismäßige
Kosten geschehen kann. Der § 1779 Abs. 3 Satz 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs findet entsprechende Anwendung. Auch ist das Kind zu hören,
wenn das 10. Lebensjahr vollendet hat. Weder der Vormund noch der
Pfleger können eine schon erfolgte Bestimmung über die religiöse
Erziehung ändern.“
Haben die Kindeseltern zu der Zeit, als sie das Sorgerecht noch
innehat-ten, jedoch keinerlei Bestimmung über die Religion getroffen,
hierzu nichts geregelt oder sich schlichtweg keine Gedanken gemacht, so
ist dieses Recht noch „frei“ und „unverbraucht“. Mit anderen Worten:
Dann kann der Vormund erstmals das religiöse Bekenntnis eines Kindes
bestimmen. Denn ihm kommt nach dem oben zitierten Gesetz das sog.
Erstbestimmungsrecht zu.
Vormund muss familiengerichtliche Genehmigung einholen
Sofern der Vormund das religiöse Bekenntnis des Kindes also bestimmen
kann, ist jedoch noch eine zweite Besonderheit zu beachten. Der Vormund
muss insoweit zunächst eine Genehmigung des Familiengerichtes einholen,
das Kind z.B. katholisch taufen lassen zu können. Auch dieses
Erfordernis erfolgt aus § 3 des Gesetzes über die religiöse
Kindererziehung, wie oben zitiert. Aus dieser Vorschrift ist auch
abzuleiten, dass das Familiengericht vor Erteilung der Genehmigung die
Eltern anhört und auch das betroffene Kind, wenn dieses bereits 10 Jahre
alt ist. Den Eltern kommt hier aber nicht etwa ein „Veto-Recht“ zu.
Diese haben die Gelegenheit sich zu äußern. Die Argumente der
Kindeseltern gegen die von den Pflegeeltern gewünschte religiöse
Bestimmung sind vom Gericht zur Kenntnis zu nehmen. Letztlich aber muss
sich das Familiengericht bei der Genehmigungserteilung vom Kindeswohl
leiten lassen.
Daher kann ein Vormund, sofern er das Erstbestimmungsrecht noch inne
hat, für das Pflegekind regelmäßig mit guten Argumenten eine
entspre-chende Genehmigung beim Gericht durchsetzen.
Der Verfasser konnte hier etwa für Pflegeeltern, welche gleichzeitig
auch Vormünder ihres Kindes waren, beim Amtsgericht Recklinghausen
durchsetzen, dass die katholische Taufe des Kindes gegen den Willen der
leiblichen Eltern genehmigt wurde.
In seinem Beschluss vom 11.10.2011 (45 F 423/10) hat das AG Reckling-hausen ausgeführt:
„Die katholische Taufe des Kindes wird genehmigt.
Der Kindesmutter ist mit Beschluss vom 30.03.2009 die elterliche Sorge
für das am 01.06.2008 geborene Kind entzogen worden (…). Das Kind lebt
seit dem 01.06.2009 bei seinen Pflegeeltern, denen mit Beschluss vom
18.11.2010 die Vormundschaft übertragen worden ist. Die Pflegeeltern
beantragen, die katholische Taufe des Kindes zu genehmigen. Zur
Begründung tragen sie vor, der Pflegevater sei katholisch, ihr
gemeinsames leibliches Kind sei katholisch getauft worden und besuche
die katholische Grundschule. Diese solle (das Pflegekind) später auch
besuchen. Voraussetzung hierfür sei grund-sätzlich, dass das Kind die
katholische Konfession besitze. Die Kindesmutter erklärt sich mit einer
katholischen Taufe des Kindes nicht einverstanden. Sie möchte, dass (das
Pflegekind) irgendwann selbst entscheidet, welcher Religion sie
angehört. Das Jugendamt (…) befürwortet den Antrag der Antragsteller.
Auf den Bericht des Jugendamts vom 13.09.2011 wird Bezug genommen.
Der Antrag, das Kind katholisch taufen zu lassen, wird genehmigt. Den
Pflegeeltern steht nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Religiöses
Kindererziehungsgesetz (RelKErzG) das Recht zu, über die religiöse
Erziehung des Kindes zu bestimmen, da ihnen die Vormundschaft übertragen
worden ist. Sie bedürfen hierzu jedoch nach § 3 Abs. 2 Satz 2 RelKErzG
der Genehmigung des Familiengerichts.
Die Genehmigung ist zu erteilen, da diese nach den getroffenen
Feststellungen dem Wohl des Kindes entspricht. Das Kind lebt bereits
seit dem 01.06.2009 bei den Pflegeeltern. Bei der Aufnahme war erst zwei
Monate alt. Zu der Kindesmutter besteht kein Kontakt. Mit einer
Rückführung des Kindes zu der Kindesmutter ist derzeit nicht zu rechnen.
Um eine noch intensivere Bindung des Kindes zu seinen Pflegeeltern und
dessen ebenfalls katholisch getauften Kind herzustellen, ist die
katholische Taufe erforderlich. Das Kind wird sich in den nächsten
Jahren bewusst werden, ob es katholisch, evangelisch oder gar nicht
getauft worden ist. Es wird kaum nachvollziehen können, warum es anders
als das Kind der Pflegeeltern nicht katholisch getauft worden ist. Es
ist zu erwarten, dass es dem gleichen Glauben angehören will, den auch
die Pflegeeltern und deren Kind besitzen. Es kommt damit nicht
entscheidend darauf an, ob es zur Aufnahme in die katholische
Grundschule getauft sein muss. Über das religiöse Bekenntnis kann das
Kind nach § 5 RelKErzG selbständig erst mit Vollendung des 14.
Lebensjahres entscheiden. Zur intensiveren Bindung des Kindes an seine
Pflegeeltern erscheint es jedoch erforderlich, das Kind vorher
katholisch taufen zu lassen. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres hat
das Kind dann das Recht, sich für einen anderen Glauben zu entscheiden.
Die Pflegeeltern und die Kindesmutter sind persönlich angehört worden.
Von der Anhörung des Kindes ist im Hinblick auf dessen Alter abgesehen
worden.“
Diese sehr kindzentrierte Entscheidung auch gegen den Willen der
leibli-chen Mutter zeigt also, dass es grundsätzlich gute Aussichten
gibt, das religiöse Bekenntnis eines Kindes entsprechend zu bestimmen,
jedenfalls wenn die oben besprochenen formalen Voraussetzungen gegen
sind.
Freies Entscheidungsrecht ab 14 Jahren Steht das Sorgerecht noch den leiblichen Eltern zu und verweigern diese die Einwilligung, dann muss das Pflegekind leider bis zum 14. Lebensjahr warten. Ab dem 14. Lebensjahr hat man die sog. „Religionsmündigkeit“, kann also auch gegen den Willen eines Sorgerechtsinhabers – und auch gegen leibliche Eltern – sein religiöses Bekenntnis selbst bestimmen. Dies folgt aus § 5 RelKErzG. Die Vorschrift lautet:
„Nach der Vollendung des 14. Lebensjahres steht dem Kind die
Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösem Bekenntnis es sich halten
will. Hat das Kind das 12. Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen
seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden.“