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Neueste Rechtsprechung zum Vorrang von Pflegeeltern als Vormünder

Eine Reihe guter rechtlicher und pädagogischer Gründe spricht dafür, dass bevorzugt Pflegeeltern anstelle von Jugendämtern Vormund ihrer Pflegekinder sein sollten. Rechtlich besteht ohnehin ein entsprechender Vorrang. Für nähere Informationen verweise ich auf meine ausführliche Darstellung in der Rubrik „Vormundschaft“.

Dennoch müssen Vormundschaften für Pflegeeltern in der Praxis häufig gegen den Willen von Jugendämtern durchgesetzt werden. Regelmäßig entscheiden die Gerichte hierbei jedoch im Sinne der Pflegeeltern.

In jüngster Zeit hat etwa das LG Frankfurt am Main und das LG Wies-baden die Vormundschaft jeweils mit sehr kindeswohlbezogenen Argumenten auf die Pflegeeltern übertragen.

Das LG Frankfurt/M. hat in seinem Beschluss vom 16.02.2009 (FamRZ 09, 2103) ausgeführt:

1.„Die Entlassung des Amtsvormundes und die Bestellung der Pflegeeltern zu Einzelvormündern dient dem Wohl der betroffenen Kinder. Die mit der Übertragung der Vormundschaft einhergehende größere rechtliche Verbun-denheit der Pflegeeltern zu den betroffenen Kindern und die dadurch erhöhte Sicherheit, dass die Verbindung aufrechterhalten bleibt, spricht ganz entscheidend für eine Übertragung der Vormundschaft auf die Pflegeeltern.

2. Es ist für die betroffenen Kinder von erzieherischem Vorteil, wenn sie erleben, dass die emotionale Bezugsperson auch rechtliche Befugnisse hat“.

Das LG Wiesbaden (Beschluss vom 03.09.08, FamRZ 09, 2103) führt aus:

1. Die Bestellung geeigneter Einzelvormünder hat grundsätzlich Vorrang vor einer Amtsvormundschaft, da die Einzelvormünder dem Wohl des Mündels im allgemeinen besser und individueller dienen können als ein Amtsvormund.

2. Gerade für ein Kind, das sehr sensibel und schnell verunsichert werden kann, sind stabile Lebensverhältnisse und verlässliche Bezugspersonen wichtig. Diese Stabilität und Verlässlichkeit kann dem Kind vermittelt werden, wenn seine „sozialen“ Eltern künftig auch in der Lage sind, die erzieherischen Entscheidungen eigenständig zu treffen.

Etwas älter aber immer noch aktuell ist auch die sehr kindzentrierte Entscheidung des LG Hannover, die Sie unter „Wichtige Enrscheidungen“ nachlesen können.

Pflegeeltern seien daher ermutigt, die Übernahme der Vormundschaft anzustreben, da dies eine deutlich größere Rechtssicherheit für die Pflegefamilie mit sich bringt.

Allerdings sei Pflegeeltern geraten, einen solchen Antrag nicht ohne anwaltliche Beratung und Unterstützung zu stellen. Hier sollte aufgrund der Familienrechtsreform vorsichtiger vorgegangen werden. Denn seit dem 01.09.2009 und der Geltung des FamFG ist nunmehr das Familiengericht für die Entlassung des Amtsvormundes und die Bestellung eines Einzelvormundes zuständig. Zuvor waren dies die Vormundschaftsgerichte. Das FamFG hat die Vormundschaftsgerichte jedoch abgeschafft und an dieser Stelle eine erweiterte Zuständigkeit des Familiengerichts geschaffen. Anders als zuvor bei den Vormundschaftsgerichten werden die Familiengerichte bei Prüfung nach Bestellung der Pflegeeltern als Einzelvormünder nunmehr auch prüfen, ob nicht der Sorgerechtsentzug gänzlich aufgehoben werden kann. Es muss hier also nun das Risiko bedacht werden, dass ggf. das Gericht prüft, ob nicht das Sorgerecht auch den leiblichen Eltern zurückübertragen werden kann. Denn nach § 166 FamFG iVm § 1696 BGB prüft das Familiengericht regelmäßig seine zum Kinderschutz getroffenen Maßnahmen, so also auch einen Sorgerechtsentzug. Die Vormundschaftsgerichte haben dies nach der früheren Rechtslage nicht getan. Dies heißt natürlich keineswegs, dass derartige Anträge zukünftig keinen Erfolg mehr haben. Es bedarf nun jedoch zuvor einer sorgfältigen Abwägung. Nach Auffassung des Unterzeichners ist die Rechtsprechung, welche bislang zum Vorrang der Einzelvormundschaften ergangen ist, nach wie vor gültig und auch von den Familiengerichten zu befolgen. Denn die entscheidenden gesetzlichen Voraussetzungen für die Entlassung eines Amtsvormundes oder Vereinsvormundes wurden nicht geändert. Dennoch bleibt nach der Reform der Zuständigkeit und nunmehriger Abgabe dieser Aufgaben an das Familiengericht die weitere Entwicklung abzuwarten. Einstweilen empfiehlt sich daher zunächst jedenfalls eine sorgfältige Prüfung.

Quelle: RA Steffen Siefert

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OLG Koblenz: Zur religiösen Erziehung eines Pflegekindes

Viele Pflegeeltern, welche in religiös geprägten Gegenden leben, aber auch bekennend religiöse Pflegeeltern wünschen sich, dass ihr Pflegekind im eigenen Glauben bzw. im Glauben des Umfelds großgezogen werden kann. In rechtlicher Hinsicht ist die Bestimmung des religiösen Bekenntnisses eines Kindes ein Teil des Sorgerechts. Der Inhaber der elterlichen Sorge ist befugt, hier zu entscheiden. Besonderheiten sind zu beachten, wenn das Sorgerecht einem Vormund zusteht, z.B. dem Jugendamt als Amtsvormund. Ein Vormund kann das religiöse Bekenntnis nur dann ausüben, wenn diese Bestimmung noch nicht getroffen wurde. Ein Vormund hat insoweit also lediglich das sogenannte Erstbestimmungsrecht, § 3 RelKErzG (Gesetz über die religiöse Kindererziehung). Und zudem benötigt der Vormund vor der Bestimmung des religiösen Bekenntnisses eine Genehmigung des Familiengerichts.

Wegen näherer Erläuterungen zur rechtlichen Problematik verweise ich auf meinen Aufsatz „Genehmigung der Taufe eines Pflegekindes“ in der Rubrik „Vormundschaft“ auf dieser Webseite.

Das OLG Koblenz hat in einem Beschluss vom 23.10.13 (FamRZ 2014, 1122) hierzu eine Entscheidung getroffen, welche in besonderer Weise auch die gewachsenen Bindungen eines Pflegekindes berücksichtigt und die Tatsache, dass ein Pflegekind die Möglichkeit haben soll, der gleichen Religionsgemeinschaft anzugehören, wie seine engsten Bezugspersonen, die Pflegeeltern.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Das 2007 geborene Kind C. lebt seit Juni 2008 in einer Pflegefamilie, und zwar auf Dauer. Die elterliche Sorge wird vom Jugendamt als Vormund ausgeübt. Das Jugendamt beantragte die Genehmigung einer Entscheidung, das Kind katholisch taufen zu lassen. Hiergegen wandten sich die leiblichen Eltern. Diese waren zwar mit einer Taufe von C. einverstanden, aber nur, wenn er evangelisch getauft werde. Ein weiteres Kind der leiblichen Mutter (nicht des Vaters) sei evangelisch getauft und für ein weiteres, das sich im Moment in einem Heim befindet, sei dies auch geplant. Nach Anhörung aller Beteiligten genehmigte das Amtsgericht dem Vormund die beabsichtigte katholische Taufe.
Gegen diese Entscheidung legten die leiblichen Eltern Beschwerde ein. Die Beschwerde wurde aber zugunsten des Jugendamtes und des betroffenen Pflegekindes abgewiesen. Das OLG Koblenz bestätigte also die Genehmigung des Amtsgerichts und begründete seine Entscheidung sehr kindzentriert.

Das OLG Koblenz hat im Beschluss vom 23.10.2013 (FamRZ 2014, 1122) ausgeführt:

„Das Amtsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass das Jugendamt als Vormund zur Entscheidung berufen ist (§ 3 II RelKErzG), da es die alleine elterliche Sorge innehat.
Es nimmt auch richtig an, dass der Entscheidung des Jugendamtes keine vorgängige Bestimmung der Eltern entgegen steht (§ 3 VI RelKErzG). Dies lässt sich den Ausführungen der Eltern, insbesondere der Mutter bei ihrer Anhörung, nicht entnehmen. Das Kind wurde von seinen Eltern nicht getauft; eine ernstliche und endgültige Entscheidung hierzu wurde nicht getroffen. Dass eine Taufe möglicherweise im Raum stand, wie das bei der Anhörung dargestellt wurde, reicht nicht aus. (…)
Die Entscheidung des Vormunds entspricht auch nach dem gegenwärtigen Sachstand dem Wohl des Kindes. C. befindet sich in Dauerpflege, und zwar seit Mitte 2008, da war er 9 Monate alt. Eine Rückführung zu den leiblichen Eltern ist nicht beabsichtigt. D. h. C. wird im sozialen Umfeld der Pflegefamilie weiter aufwachsen und dazu gehört, wenn die Pflegeeltern – wie hier – bekennend religiös sind und einer Religionsgemeinschaft angehören, auch dieses religiöse Umfeld. Es ist einem Kind kaum klar zu machen, warum es einer anderen Religionsgemeinschaft angehört als seine nächsten Bezugspersonen und auch seine – zu erwartenden – Geschwister. Wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann es ohnehin selbst entscheiden, zu welchem religiösem Bekenntnis es sich halten will (§ 5 RelKErzG).“

Zu der Gesamtproblematik des religiösen Bekenntnisses eines Pflegekindes existieren leider nur wenige veröffentlichte Entscheidungen, zumal obergerichtliche Entscheidungen. In vergleichbaren Streitfällen dürfte es daher angezeigt sein, zukünftig die Entscheidung des OLG Koblenz und die vom OLG Koblenz herausgearbeiteten Kriterien zu benennen.

Quelle: RA Steffen Siefert

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LG Hannover: Vorrangige Bestellung von Pflegeeltern zu Vormündern

Das LG Hannover betont die vorrangige Bestellung von Pflegeeltern zu Vormündern anstelle des Jugendamtes. In einem Beschluss vom 06.02.2007 (FamRZ 2007, 1909 f.) hebt das LG Hannover den gesetzlichen Vorrang von Pflegeeltern als Einzelvormündern gegenüber einer Amtsvormundschaft hervor. In dem entschiedenen Fall wurden Inkognito-Pflegeeltern anstelle des Jugendamtes zu Vormündern bestellt. In der Begründung führt das LG aus:

„Die Pflegeeltern waren zum Vormund der Kinder zu bestellen. Gem. § 1887 I BGB hat das Vormundschaftsgericht das JA als Vormund zu entlassen und einen anderen Vormund zu bestellen, wenn dies dem Wohl des Mündels dient und eine andere als Vormund geeignete Person vorhanden ist. Gem. § 1791 b I „kann auch“ das JA zum Vormund bestellt werden, wenn eine als ehrenamtlich einzeln zum Vormund geeignete Person nicht vorhanden ist. Daraus ergibt sich eine eindeutige gesetzliche Rangfolge zugunsten natürlicher Personen, die Bestellung des JA ist die Ausnahme.

Die antragstellenden Pflegeeltern sind geeignet, die Vormundschaft zu übernehmen. Unfähigkeits- oder Untauglichkeitsgründe gem. §§ 1780, 1781 BGB liegen nicht vor. Weder das JA noch die Mutter ziehen die Geeignetheit der Pflegeeltern zur Führung der Vormundschaft in Zweifel; vielmehr wird ihre generelle Geeignetheit gerade betont. Aus den grundsätzlichen Bedenken des JA zu möglichen Belastungen oder Überforderungen von Einzelvormündern im Verhältnis zu auch außerordentlich schwierigen leiblichen Eltern kann auch nicht in Verbindung mit den konkreten Ankündigungen der Mutter, auf jeden Fall den Kontakt suchen zu wollen, geschlossen werden, die hier betroffenen Pflegeeltern seien zu gegebener Zeit sicherlich überfordert und das Betreuungsverhältnis zugunsten der Kinder gefährdet. Auch auf Nachfrage des LG hat das JA keine konkreten Anhaltspunkte nennen können, weshalb abzusehen sein muss, dass speziell diese Pflegeeltern bei einer gebotenen individuellen Betrachtung die denkbaren Bedrohungssituationen nicht würden meistern können. Sollte es in der zur Zeit noch nicht einmal absehbaren Zukunft zu der Frage der Anbahnung und Durchführung von Besuchskontakten mit der leiblichen Mutter kommen, hätten die Pflegeeltern auch als Vormünder Anspruch auf Beratung und Unterstützung des JA. Unabhängig davon hat das JA auch bei Vormündern von sich aus die Möglichkeit, notfalls über das Vormundschaftsgericht Einfluss zu nehmen.

Die Übertragung der Vormundschaft auf die Pflegeeltern entspricht auch dem Wohl der Kinder. Sie leben bereits seit Jahren bei den Pflegeeltern. Die mit der Übertragung der Vormundschaft einhergehende größere rechtliche Verbundenheit der Pflegeeltern zu den Kindern erhöht die Sicherheit dafür, dass die Verbindung zu den Pflegeeltern aufrechterhalten bleibt. Insbesondere gibt es keinen Grund dafür, dass es dem Wohl der Kinder mehr entspricht, das JA als Vormund zu behalten“.

Quelle: RA Steffen Siefert

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OLG Hamm: Verbleib eines Kindes bei seinen Pflegeeltern

Fordert eine leibliche Mutter oder ein leiblicher Vater die Herausnahme eines Kindes aus seiner Pflegefamilie, so können Pflegeeltern sich hiergegen regelmäßig gut und effektiv wehren, indem sie einen Verbleibensantrag stellen. Diese Möglichkeit hat ihnen der Gesetzgeber nach § 1632 IV BGB eingeräumt. Nach dieser Vorschrift können Pflegeeltern beantragen, dass das Pflegekind bei ihnen verbleibt. Dem Verbleibensantrag muss entsprochen werden, wenn im Falle der Herausnahme das Kindeswohl gefährdet wäre. In solchen Verfahren prüft das Familiengericht letztlich zwei Kernargumente. Zum einen wird geprüft, ob der Elternteil überhaupt über die zu fordernde Erziehungsgeeignetheit verfügt, ob dieser also überhaupt (wieder) in der Lage wäre, das Kind selbst zu pflegen und zu erziehen. Aber selbst wenn Kindeseltern sich hier wieder stabilisiert haben, heißt dies keineswegs, dass ein Kind dann aus seiner Pflegefamilie herausgenommen werden kann. Denn ein Kind kann hier nur eine gewisse Zeit auf die Stabilisierung seiner leiblichen Eltern warten. Gerade dann, wenn das Kind sich in der bindungssensitiven Phase befindet, bindet es sich natürlich an seine Pflegeeltern. Ist hier eine zu starke Bindung entstanden, dann kann ein Abbruch dieser Bindung für das Kind einen lebenslangen Schaden bedeuten. In diesem Fall muss das Kind bereits wegen der schädlichen Folgen des Bindungsabbruchs bei seinen Pflegeeltern verbleiben. Dies muss auch dann gelten, wenn die leiblichen Eltern etwa inzwischen wieder in der Lage wären, ein Kind grundsätzlich zu pflegen und zu erziehen.

In einem vom Verfasser bearbeiteten Fall hat das OLG Hamm dies in einer Entscheidung sehr kindzentriert betont. In diesem Fall begehrte die leibliche Mutter die Herausnahme ihres Kindes aus der Pflegefamilie. Sie hatte in der Zwischenzeit ein weiteres Kind auf die Welt gebracht, welches sie (mit Hilfen) selbst großziehen kann. Dennoch hat in zweiter Instanz das OLG Hamm die Entscheidung des Amtsgerichtes gegen die Beschwerde der Kindesmutter bestätigt, dass das Kind in der Pflegefamilie verbleiben muss. Es hat klargestellt, dass der Verbleib völlig unabhängig von der (in diesem Fall allerdings sehr kritisch eingeschätzten) Erziehungsgeeignetheit der Kindesmutter anzuordnen ist, und zwar alleine wegen der Folgen des Bindungsabbruchs. Wörtlich führt das OLG Hamm in der Entscheidung aus:

„Unabhängig davon hat das Kind zu den Pflegeeltern, insbesondere zu der Pflegemutter (…) zwischenzeitlich derartig sichere und tragfähige Bindungen entwickelt, dass eine Herausnahme des Kindes zu einem Bindungsabbruch und zu einer erheblichen Verunsicherung des Kindes führen würde und damit das Kindeswohl in einem nicht vertretbaren Maße gefährdet würde. (…) Eine Herausnahme des Kindes aus dieser Umgebung wäre gleichbedeutend mit einem erneuten tiefen Bruch in seinem Leben, durch den die gesunde Entwicklung des vorbelasteten Kindes zur Disposition gestellt würde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits durch den vormaligen Wechsel zunächst in den Haushalt der Pflegeeltern, dann zurück in den Haushalt der Kindesmutter und dann zurück in den Haushalt der Pflegeeltern im Jahre 2005 bereits mehrfach Trennungserfahrungen hat machen müssen, so dass von einer erhöhten Vulnerabilität des Kindes auszugehen und die Gefahr eines nicht mehr behebbaren emotionalen Schadens gegeben ist“.

Die Praxis zeigt, dass Pflegeeltern ab einer gewissen Verfestigung der Pflegedauer sehr gute Aussichten haben, das Kind vor einem Schaden im Falle der Herausnahme zu schützen und den Verbleib in der Pflegefamilie durchzusetzen. Der Verfasser konnte hier in einer großen Vielzahl von Verfahren Verbleibensanordnungen für Pflegeeltern durchsetzen. Dabei ist es in derartigen Verfahren natürlich stets von großer Bedeutung, die Gefahren für das Pflegekind und aus Sicht des Pflegekindes vorzutragen. Generell darf das Elternrecht nicht unterschätzt werden und wird auch bei den Gerichten durchaus hoch angesiedelt. Es gilt jedoch der ganz allgemeine Grundsatz, dass das Elternrecht vom Kindeswohl verdrängt wird.

Die oben zitierte Entscheidung des OLG Hamm wird im PDF-download in anonymisierter Fassung im kompletten Wortlaut wiedergegeben:

Quelle: RA Steffen Siefert

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OLG Köln: Zeitweiliger Umgangsausschluss bei Pflegekindern

Mit erfreulich klaren Worten hat das OLG Köln in einer Entscheidung vom 30.01.2009 (14 UF 172/08) das Umgangsrecht eines leiblichen Vaters mit seinen in Pflegefamilien untergebrachten Kindern für ein halbes Jahr ausgesetzt, weil der Kindesvater die Pflegekinder bei Umgangskontakten immer wieder mit seinen Herausnahmewünschen konfrontiert. Das OLG ging damit weiter als das Amtsgericht, welches dem Kindesvater ein begleitetes Umgangsrecht zubilligte. In dem Beschluss heißt es:

„Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts (…) vom 25.09.2008 – 12 F 509/08 – unter Zurück-weisung des weitergehenden Rechtsmittel teilweise dahingehend abgeändert, dass der Umgangskontakt zwischen dem Kindesvater und den Kindern B. und C. für die Dauer von 6 Monaten ausgesetzt wird.

Gründe:

(……….) anders als das Amtsgericht hält der Senat eine Aussetzung der Umgangskontakte zwischen dem Kindesvater und den Zwillingen B. und C. im Interesse der Kinder für die Dauer von 6 Monaten für angezeigt, § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB. Der Senat folgt den Darlegungen des Sachverständigen, der in der mündlichen Anhörung vor dem Senat noch einmal bekräftigt hat, dass eine Aussetzung der Umgangskontakte derzeit zum Wohl der Zwillinge erforderlich ist. Der Sachverständige hat dargelegt, dass der Kindesvater jede Art des Kontaktes mit den Kindern nutzt, um diesen seinen Willen, die Kinder mögen zu ihm zurückkehren, zu vermitteln. Dabei arbeitet er mit Versprechungen und Lockmitteln, was auch durch die Begleitung der Besuche nicht unterbunden werden konnte. Die Verfahrenspflegerin, die den Umgang der Zwillinge mit deren Vater in der Vergangenheit lange begleitet hat, hat Ähnliches geschildert. Danach lenkte der Kindesvater bei jedem Umgangskontakt schnell das Gespräch darauf, ob die Kinder nicht in den väterlichen Haushalt zurückkehren wollten. Beide Kinder wurden hierdurch erheblich verunsichert. Die Diskussionen über ihren weiteren Lebensmittelpunkt belasten sie sehr; dies gilt umso mehr, als sie sich in ihrer Pflegefamilie gut eingelebt heben und – wie sie auch gegenüber dem Senat in ihrer Anhörung geäußert haben – dort bleiben möchten. Insbesondere B. fällt es schwer, dies dem Vater zu vermit-teln. Im Interesse des Kindeswohls erscheint deshalb eine Aussetzung der Umgangskontakte für die Zeit von 6 Monaten angezeigt. Trotz einer ausführlichen Erörterung der Problematik hat der Kindesvater auch in der mündlichen Verhandlung (….) nicht die nötige Einsicht in das Bedürfnis der Zwillinge nach einer Beruhigung der Situation gezeigt. Auf Vorhalt des Sachverständigen ist er dabei geblieben, dass er den Kindern gegenüber auf deren Nachfrage hin die Umstände, unter denen es zu der Fremdunterbringung gekommen ist, schildern werde. Dabei entstand bei dem Senat durchaus der Eindruck, dass er auch weiterhin den Kindern gegenüber auf seinem Standpunkt beharren werde, besser seien sie wieder bei ihm aufgehoben. Gerade diese Einstellung aber ist mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. Die Kinder fühlen sich hin- und hergerissen; nachdem sie Sicherheit und Geborgenheit in der Pflegefamilie gefunden haben, bedürfen sie der Gewissheit, dass sie dort auch weiter aufwachsen können. Gerade diese Gewissheit erfahren sie im Umgang mit dem Vater derzeit nicht. Dem Senat erscheint eine Zeitspanne von 6 Monaten angemessen, aber auch erforderlich, damit die Kinder B. und C. ohne Beeinflussung durch den Kindesvater zur Ruhe finden können. Der Senat geht davon aus, dass ihre Situation innerhalb dieser Zeit in einem sicheren Umfeld stabilisieren wird, so dass ab Sommer 2009 die vom Senat mit Beschluss vom 23.12.2008 angesprochenen begleiteten Umgangskontakte umgesetzt werden können. Nach dem Eindruck, den der Senat von den Zwillingen B. und C. im Rahmen ihrer Anhörung gewonnen hat, stehen sie zwar derzeit einem Besuchskontakt ablehnend gegenüber. Dass sie unter allen Um-ständen einen Umgang vermeiden wollen, ergab sich allerdings nicht. Dabei dürfte ihre Bereitschaft, den Vater zu sehen, in dem Maße wachsen, in dem sie Gewissheit haben, dass er sie wieder in die Pflegefamilie entlässt, ohne sie davon überzeugen zu wollen, wieder in seinen Haushalt zurückzuziehen“.

Anmerkung:
Grundsätzlich ist das Umgangsrecht leiblicher Eltern mit ihren Kindern, auch wenn diese in einer Pflegefamilie leben, ein starkes, § 1684 I BGB. Es gibt hier leider durchaus auch die zu beobachtende Tendenz in der Rechtsprechung, auch und gerade bei Pflegekindern Umgangskontakte zuzulassen, welche die Pflegekinder irritieren, weil die leiblichen Eltern bei den Kontakten immer wieder darauf hinweisen, oder die Kinder spüren lassen, dass sie die Pflegefamilie im Grunde ablehnen. Umso erfreulicher sind die eindeutigen Ausführungen des OLG Köln im vorgenannten Beschluss. Die Pflegekinder B. und C. sind im Jahre 2000 geboren. Sie lebten zunächst in der leiblichen Familie mit beiden Elternteilen gemeinsam. Die Familie war jedoch, trotz einer vom Jugendamt eingesetzten Sozialpädagogischen Familienhilfe überlastet und überfordert. Im Frühjahr 2003 kam es zu einer Trennung der Kindeseltern und die Kinder verblieben beim Kindesvater. Es wurden ambulante Hilfen vom Jugendamt eingesetzt, um die Situation zu stützen. Dies führte jedoch nicht zu einer Stabilisierung, so dass die Kinder 2004 in eine Pflegefamilie verbracht wurden. Dort leben sie seitdem ununterbrochen und haben sich inzwischen eng an die Pflege-familie gebunden. Der Kindesvater begehrte die Herausnahme der Kinder und Rückführung in seinen Haushalt und konfrontierte die Kinder auch anlässlich der Umgangskontakte, trotz eingesetzter Umgangsbegleitung, immer wieder mit seinen Wünschen. Diese reagierten dementsprechend mit massiven Auffälligkeiten, da sie ihre sichere Bindung in der Pflegefamilie bedroht sahen.

Das Amtsgericht hatte zwar angeordnet, dass die Zwillinge B. und C. in der Pflegefamilie verbleiben, dem Kindesvater jedoch einmal im Monat sowie an den hohen Feiertagen unbegleitete Umgangskontakte zugestan-den, diesem jedoch auferlegt, jegliche Beeinflussung der Kinder zu einer etwaigen Rückkehr in sein Haushalt zu unterlassen. Diese Entscheidung war dem OLG zu wenig weitgehend, zumal die Reaktionen der Pflegekinder auf die Umgangskontakte sehr stark waren und der Kindesvater es hier an jeglicher Einsicht und Feinfühligkeit fehlen ließ. Die Entscheidung ist damit in erfreulicher Weise am Kindeswohl orientiert und stellt auch das besondere Bedürfnis von Pflegekindern, einen sicheren Lebensmittelpunkt zu haben, in den Fordergrund.

Leider sind solche deutlichen Entscheidungen immer noch zu selten. Sie finden sich in der Rechtsprechung jedoch immer wieder. Beispielhaft sei hier auf einen Beschluss des OLG Celle (FamRZ 2000, 48) verwiesen. Dort heißt es u. a.:

Da aber (…) die Kinder (…) weiterhin bei den Pflegeeltern bleiben müssen, muss den Kindern in erster Linie Sicherheit und Gewissheit vermittelt werden, in der Obhut der Pflegeeltern bleiben zu können. Das ist z. Zt. nur gewährleistet, bei einem Umgang in relativ großen Zeitabständen, in denen die Kinder jeweils nach den Besuchen wieder zur Ruhe kommen können. Häufigere Kontakte würden, wie die SV überzeugend ausführt, das Gefühl des Hin- und Hergerissenseins bei den Kindern verstärken und sie noch intensiver mit den Ansprüchen der Eltern konfrontieren“.

Quelle: RA Steffen Siefert

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Keine Anrechnung von Pflegeversicherungsgeld auf das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII

Es gibt einen weiteren positiven Meilenstein der Rechtsprechung für Pflegeeltern. Bei wem Pflegeversicherungsgeld beim Mehrbedarf abgezogen wird durch sein Jugendamt, kann das Geld vom Jugendamt mit diesem begründeten Urteil zurückfordern. Einfach einen Überprüfungsantrag stellen.

Pflegeeltern aus dem Kreis Herzogtum-Lauenburg hatten gegen die Kürzung des Pflegegeldes für ihr schwerbehindertes Pflegekind geklagt. Der Kreis hat das zusätzliche Pflegeversicherungsgeld beim Mehrbedarf angerechnet und deshalb gekürzt.

Das BVerwG hat im November 2017 nun letztinstantlich dem Widerspruch und der Klage der Pflegeeltern zugestimmt.

Urteil des 5. Senats vom 24. November 2017 BVerwG 5 C 15.16 Jugendhilfe- und Jugendschutzrecht

Keine Anrechnung von Pflegeversicherungsgeld auf das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII

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