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OLG Köln: Zur Prüfung des Kindeswohles bei Pflegestellenwechsel eines Säuglings

Mit Beschluss vom 04.09.2006 (FamRZ 2007, 658 ff.) hat das OLG Köln die Voraussetzungen einer Verbleibensanordnung für einen Säugling bereits nach 3 Monaten Pflegedauer angenommen. Die meisten Gerichte setzten bislang mindestens eine halbjährige Pflegedauer voraus. Das OLG hat jedoch festgestellt, dass es keine unterste Altersgrenze gebe, vor der ein Trennungstrauma für ein Kind bedeutungslos sei. Ausdrücklich schreibt das OLG in den Gründen:

„Die strengen Anforderungen des § 1632 IV BGB, dass ein Verbleiben des Kindes in der Pflegefamilie nur dann anzuordnen ist, wenn durch die Wegnahme das Kindeswohl gefährdet würde trifft den Fall, dass das Kind in die eigene Herkunftsfamilie zurückgeführt werden soll. Darum geht es aber vorliegend nicht. Die Vormünderin hat A. nur aus der bisherigen Pflegestelle herausgenommen, um sie anschließend in einer anderen Pflegestelle, einer Adoptionspflegestelle nach § 1744 BGB, unterzubringen. In einem solchen Fall darf die Trennung des Kindes von seinen bisherigen Pflegeeltern nur dann erfolgen, wenn eine Ge¬fährdung des Kindeswohls nicht zu befürchten ist (Ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfG, FamRZ 1987, 786 mwN).

Eine Gefährdung des psychischen Wohls von A. durch die Herausnahme aus der bisherigen Pflegefamilie kann unter den gegebenen Umständen aber nicht ausgeschlossen werden. In dem der Entscheidung BVerfG, FamRZ 1987, 786 zugrunde liegenden Verfahren sind vom BVerfG Gutachter zu der Frage eingeholt worden, welche psychischen Beeinträchtigungen bei einem Wechsel der Bezugspersonen zu befürchten seien. Der Gutachter hat dazu ausgeführt, die Trennung von der Bezugsperson führe zu einem Angst- und Bedrohungsgefühl, dass schädlich Dauerfolgen verursachen könne. Dabei könne keine unterste Altersgrenze festgestellt werden, vor der ein Trennungstrauma des Kindes ohne Bedeutung sei. Ein Säugling sei schon wenige Tage nach der Geburt in der Lage, selbst früheste Erfahrungen zu speichern. Das BVerfG zieht daraus die allgemeine Folgerung, dass für ein Kind mit seiner Herausnahme aus der gewohnten Umgebung ein schwer bestimmbares Zukunftsrisiko verbunden sei. Dem schließt sich der Senat an. Eine Gefährdung des Kindeswohls lässt sicher daher vorliegend nicht ausschließen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es besonders wichtig ist in A. ein starkes Urvertrauen aufzubauen, da sich nicht ausschließen lässt, dass hier durch massiven Alkohol- und Medikamentenmissbrauch ihrer leiblichen Mutter in der Zeit der Schwangerschaft embryonale Schädigung erlitten hat, diese möglicherweise auf Dauer behindern werden. (…) Hinzu kommt, dass die Pflegeeltern nach 12 Wochen, in denen sie A. als das Kind, das sie auf Dauer bei sich behalten und adoptieren wollen, Bindungen aufgebaut haben. Ob diese Zeitdauer bereits ausreicht, um ein Schutz nach Art. 6 I GG zu begründen (vgl. dazu grundsätzlich BVerfG FamRZ 1985, 39 = NJW 1985, 423; FamRZ 1989, 31 = NJW 1989, 519) kann dahinstehen. Jedenfalls ist es nicht hinnehmbar, dass ihnen nach fast 3 Monaten das Kind weggenommen wird, ohne dass sie sich vorher überhaupt dazu äußern konnten.“

Letztlich wurde das Kind in diesem Fall wieder zu seinen Pflegeeltern zurückgeführt.

Quelle: RA Steffen Siefert

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OLG Frankfurt/M.: Verbleib trotz wiedergewonnener Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter

Das OLG Frankfurt a.M. hat mit Beschluss vom 28.02.2002 (FamRZ 2002, 1277 ff.) hervorgehoben, dass eine Verbleibensanordnung zugunsten eines Pflegekindes auch dann ergehen muss, wenn die leibliche Mutter inzwischen (wieder) erziehungsfähig ist, sich das Pflegekind inzwischen jedoch zu eng in der Pflegefamilie gebunden hat. Ausdrücklich hat das OLG in seiner Entscheidung ausgeführt:

„Es muss bei dem Sorgerechtsentzug auch bei wiedergewonnener Erzie-hungsfähigkeit der Mutter bleiben, wenn die Aufhebung des Sorgerechtsentzuges die derzeit stabile Entwicklung des Kindes gefährden würde, weil sie mit der Unterbrechung der Bindungen zu den Pflegeeltern, bei denen das 8jährige Kind seit 3 ½ Jahren lebt, einhergehen müsste. (…) Nachdem das Kind in früher Kindheit unter schwierigen Verhältnissen zunächst mit von der Großmutter und nach deren Erkrankung von den Pflegeeltern be-treut werden musste, würde die gerade gewonnene Sicherheit erneut gefährdet. (…) (Zwar hat sich) die Mutter emotional und in der Lebensbewältigung gefestigt und hat ein gutes, ausbaufähiges Verhältnis zu dem Kind wiederherstellen können. (…) Allerdings kann nicht übersehen werden, dass das Kind seit 1998 bei einer Pflegefamilie untergebracht ist und zu seinen Pflegeeltern eine herzliche Beziehung aufgebaut hat. Damit hat das Kind den größten Teil seines bewussten Lebens im Haushalt der Pflegeel-tern verbracht. Es hat – auch wenn es zu seiner Mutter ebenfalls eine herzliche Beziehung unterhält – den nachvollziehbaren Wunsch, weiterhin bei seinen Pflegeeltern wohnen bleiben zu dürfen, wo es sehr gut gefördert und in seiner Beziehung zur leiblichen Mutter gut unterstützt wird. Die Sachverständige hat den Wunsch des Kindes als mit den gewonnenen Befunden stimmig bezeichnet und sich zur Absicherung der Stabilität seiner Entwicklung für ein Verbleiben des Kindes bei seinen Pflegeeltern ausgesprochen.“

Quelle: RA Steffen Siefert

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VG Aachen: Erleichterte Voraussetzungen zur Namensänderung von Pflegekindern

Mit Urteil vom 29.08.2006 (Aktenzeichen: 6 K 1114/06) hat das Verwaltungsgericht Aachen hervorgehoben, dass die Schwelle zur Namensänderung bei Pflegekindern niedriger anzusetzen ist, eine Namensänderung also erleichtert möglich sein soll. Das Gericht führt in dem Urteil aus:

„Gem. dem danach Anwendung findenden § 3 I NÄG darf der Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Ein wichtiger Grund rechtfertigt die Änderung des Familiennamens, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt. Danach ist ein wichtiger Grund für eine Änderung des Familiennamens gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an der Ablegung seines bisherigen Namens unter Führung des neuen Namens Vorrang hat vor dem schutzwürdigen Interesse der durch eine Namensänderung betroffenen Träger des bisherigen und des neuen Namens und vor den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommenen Grundsätzen der Namensführung, zu denen auch die Ordnungsfunktion des Namens sowie sicherheitspolizeiliche Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens gehören“. (..)

„Die Schwelle zur Namensänderung ist somit in Ermangelung durchschla-gender schutzwürdiger mütterlicher Belange bei Pflegekindern, die in ei-nem auf Dauer angelegten Pflegeverhältnis leben, niedriger anzusetzen als in den Stiefkinder- oder Scheidungshalbwaisenfällen. Der Widerspruch der Mutter gegen die beabsichtigte „Einbenennung“ in die Pflegefamilie ist hier in der Regel unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, dass das Kindeswohl die Namensänderung erforderlich macht. Der Familienname des Pflegekindes ist dem der Pflegeeltern vielmehr nach § 3 I NÄG bereits dann anzugleichen, wenn dies das Wohl des Kindes fördert und überwiegende Interessen an der Beibehaltung des Namens nicht entgegenstehen. (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.04.1987 – 7 C 120.86, juris und NJW 1988, 85). Dem entspricht Nr. 42 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) vom 11.08.1980), (…) wonach dem Antrag eines Pflegekindes auf Änderung seines Familiennamens in den Familiennamen der Pflegeel-tern entsprochen werden kann, wenn die Namensänderung dem Wohle des Kindes förderlich ist, das Pflegeverhältnis auf Dauer besteht und eine Annahme als Kind nicht oder noch nicht in Frage kommt.“

Quelle: RA Steffen Siefert

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AG Köln: Ersetzung der Einwilligung der leiblichen Eltern in eine Adoption

Mit Beschluss vom 27.12.2006 (Aktenzeichen 60 XVI 118/06) hat das Amtsgericht Köln die Einwilligung von leiblichen Eltern in die Adoption eines Pflegekindes wegen gröblicher Pflichtverletzung und Gleichgültigkeit der leiblichen Eltern ersetzt. Das Amtsgericht hat damit die (inzwischen vollzogene) Adoption des Kindes durch die Pflegeeltern auch gegen den Willen der leiblichen Eltern möglich gemacht. In seinem Beschluss führt das Gericht aus:

„Der Ersetzungsantrag ist begründet. Die nach §§ 1747 Abs. 1 Satz1, 1750 BGB zur Kindesannahme erforderliche Einwilligung der leiblichen Eltern muss durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, weil beide Eltern nach ihrer Erklärung im Anhörungstermin nicht bereit sind, eine solche Erklärung abzugeben. Mit einer Änderung ihres Standpunktes, den sie beharrlich beibehalten haben, ist im Hinblick auf die Vorschichte nicht mehr zu rechnen.

Auf Antrag des betroffenen Kindes, das dabei von dem Jugendamt (…) gesetzlich vertreten wird, hat das Vormundschaftsgericht gemäß § 1748 I und II BGB die Einwilligung der leiblichen Eltern in die Adoption zu ersetzen. Beiden Eltern ist in ihrem Verhalten gegenüber dem Kind sowohl eine anhaltend gröbliche Pflichtverletzung als auch eine Gleichgültigkeit vorzuwerfen. Die Schwere und anhaltende Pflichtverletzung ergibt sich aus den Gründen, die zum dauerhaften Entzug des Sorgerechtes für (das Kind) im Beschluss des Familiengerichtes (…) geführt haben. Hierzu hat das Familiengericht zur vollen Überzeugung des jetzt erkennenden Gerichtes, gestützt auf die vorangegangenen Erkenntnisse, ausgeführt:
„Die Kindesmutter ist nicht erziehungsfähig. Die geschilderten Vorfälle (…) haben deutlich gemacht, dass die Kinder im Haushalt der Kindesmutter gefährdet sind. Den Kindern fehlt es an ausreichender Betreuung und Versorgung. Sie werden stattdessen geschlagen, nicht ausreichend ernährt und zeitweise eingesperrt. Unerheblich ist, wer die Kinder schlug; sollte Herr X. sie geschlagen haben, so hätte die Kindesmutter jedenfalls gezeigt, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Kinder zu schützen“.

Weiter heißt es auf Seite 6 des Beschlusses:
„(Die Kindesmutter) ist nicht in der Lage, die Kinder angemessen zu versorgen. Beide Kinder haben Defizite in der Ernährung und sind verhaltensauffällig. Das Kindeswohl ist im Hauthalt (der Kindesmutter) gefährdet. Bereits in der Vergangenheit war die Herausnahme der 3 weiteren, älteren Kindern (der Kindesmutter) notwendig, weil sie nicht in der Lage war, jene angemessen zu versorgen und zu betreuen. Der Bericht der Polizei (…) zeigt, dass der Zustand in der Wohnung für die Kinder nicht zumutbar ist. Neben hygienischen Mängeln in der Wohnung wurde die Vernachlässigung der Kinder deutlich (…). Dies alles belegt zur vollen Überzeugung des Gerichtes, dass beide Elternteile massiv und anhaltend ihre Pflichten gegenüber dem Kind verletzt haben. Einer weiteren Gefährdung des Kindeswohles konnte nur durch die Inobhutnahme des Kindes begegnet werden, um noch schwerere und bleibende Schäden zu vermeiden. Sowohl die Vorgeschichte als auch das spätere Verhalten der Kindeseltern zeigen, dass es sich nicht etwa nur um ein vorübergehendes Versagen in einer einmaligen Krisensituation handelte. Der Kindesmutter musste das elterlichte Sorgerecht schon für ihre 3 älteren Kinder, die inzwischen zu Adoptionseltern kamen, entzogen werden (…).

Angesichts der massiven Pflichtverletzungen beider Eltern ist ihre inzwischen hinzugetretene Gleichgültigkeit gegenüber (dem Kind) nur ein weiterer Grund für den Entzug des Elternrechts. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die leiblichen Eltern den für September 2005 vereinbarten Umgangstermin wegen einer plötzlichen Erkrankung nicht wahrnehmen konnten und dies dem Jugendamt auch mitgeteilt haben. Selbst wenn eine solche Rückmeldung bei dem Jugendamt unterstellt wird, müssen sich die Eltern jedenfalls vorhalten lassen, dass sie in dem folgenden Zeitraum von inzwischen 15 Monaten keine ernsthaften Anstrengungen unternommen haben, um wieder einen Kontakt mit ihrem Kind herzustellen. Die Eltern widersprechen außerdem nicht der Darstellung des Jugendsamtes, dass sie auch sonst in diesem langen Zeitraum nichts für ihr Kind getan haben. Insbesondere haben sie trotz mehrfacher Anfrage und Erinnerung nie Fotos für das Kind beigebracht und sich nicht einmal telefonische nach der Entwicklung des Kindes erkundigt. Dies zeigt ein völlig fehlendes Interesse an dem Kind und seinem Wohlergehen.

Da die Gleichgültigkeit der Eltern zugleich eine anhaltende gröbliche Pflichtverletzung ist, kommt es auf die weiteren formalen Voraussetzungen für eine Ersetzung ihrer Einwilligung nach § 1748 II BGB nicht an. Diese sind im übrigen aber auch durch die mündliche Belehrung des Jugendamtes vom 07.06.04 und zusätzlichem Schreiben vom 08.10.04 erfüllt.

Unter diesen Umständen ist die Einwilligung der Kindeseltern zu ersetzen, weil ein Unterbleiben der Annahme dem betroffenen Kind zu einem unverhältnismäßigen Nachteil gereichen würde (§ 1748 Abs.1. letzter Halbsatz BGB). Nach dem anschaulichen Bericht des Jugendamtes leidet (das Kind) infolge der frühkindlichen Vernachlässigung im elterlichen Haushalt noch heute trotz großer Entwicklungsfortschritte an phasenweise auftretenden Verhaltensstörungen. Sie fühlt sich jedoch in ihrer Pflegefamilie sicher und geborgen und kann dort ihre notwendigen Bedürfnisse ausleben.

Dieser Zustand ist aber noch nicht hinreichend abgesichert. Erst durch die beantragte Adoption wird eine vollständige, auch rechtlich sichere Integrierung des Kindes in den Familienverband gewährleistet. Ohne diesen rechtlichen Schritt könnten die leiblichen Eltern den von ihnen wiederholt bei richterlichen Anhörungen geäußerten Wunsch, das Kind wieder in ihren Haushalt zurückzunehmen, umzusetzen versuchen. Auch könnten die Pflegeeltern ihrerseits von sich aus das Pflegeverhältnis abbrechen. Eine dauerhafte Lebensperspektive für (das Kind), die noch heute an den Folgen der Vernachlässigung in ihrer ersten Lebensphase leidet, kann erst durch die beantragte Adoption geschaffen werden. Bei Abwägung dieser Interessen des Kindes gegenüber den Elternrechten müssen letztere zurücktreten weil das Kindeswohl sonst massiv beeinträchtigt würde und die Eltern ihrerseits durch gröbliches Versagen erst den jetzigen Zustand herbeigeführt haben“.

Anmerkung:
Anerkanntermaßen ist die Adoption eines Pflegekindes die bestmögliche juristische Absicherung für das Kind, natürlich auch für die Pflegeeltern. Eine Adoption setzt grundsätzlich jedoch eine Einwilligung des Kindes, vertreten durch den Sorgeberechtigten, eine Einwilligung der Pflegeeltern und nicht zuletzt eine Einwilligung der leiblichen Eltern voraus. Zusätzlich muss die Adoption dem Kindeswohl dienen. Der Gesetzgeber hat mehrfach hervorgerufen, dass bei dauerhaften Pflegeverhältnissen nach Möglichkeit versucht werden soll, das Pflegekind durch eine Adoption noch besser abzusichern. Dies ergibt sich etwa aus § 36 I.2 SGB VIII, wonach vor und während einer Dauerpflege zu prüfen ist, ob die Annahme als Kind in Betracht kommt. In der Praxis scheitern Adoptionsbemühungen jedoch häufig an den fehlenden Einwilligungen der leiblichen Eltern, auch wenn diese sich ansonsten ihrem Kind gegenüber gleichgültig zeigen. Grundsätzlich – und sicherlich zu Recht – ist eine Adoption gegen den Willen leiblicher Eltern nur schwer möglich. Nach § 1748 BGB können jedoch solche verweigerten Einwilligungen vom Vormundschaftsgericht auf Antrag ersetzt werden, wenn die entsprechenden Gründe vorliegen. Solche Gründe können etwa anhaltende gröbliche Pflichtverletzungen der leiblichen Eltern gegenüber dem Kind sein oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind trotz Belehrung über die Folgen. Das Amtsgericht Köln hat in der oben zitierten Entscheidung diese Voraussetzungen bejaht und dabei in vorbildlicher Weise eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung getroffen, welche insbesondere auch das besondere Bedürfnis des Pflegekindes nach einer rechtlichen Absicherung, gerade auch nach den erlittenen Vernachlässigungen, hervorhebt.

Quelle: RA Steffen Siefert

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VG Köln: Einklagbarer Anspruch von Pflegeeltern auf Unfallversicherung und Rentenversicherung

Pflegeeltern können die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung verlangen, § 39 IV Satz 2 SGB VIII. In der Praxis hat diese neu geschaffene Vorschrift jedoch zu unterschiedlichsten Auslegungsergebnissen geführt. So wird von Jugendämtern etwa vertreten, die Beiträge zur Unfallversicherung könnten pro Pflegestelle nur einmal geltend gemacht werden. Es wird ferner teilweise vertreten, dass der Antrag auf Rentenversicherung bereits dann entfalle, wenn die Pflegeeltern zuvor bereits in anderer Weise (irgendeine) Altersvorsorge betrieben hätten. Dem ist das Verwaltungsgericht Köln jetzt entschieden entgegen getreten und hat auch klargestellt, dass Pflegeeltern diese Ansprüche unmittelbar einklagen können.

Im Urteil des VG Köln vom 20.12.2007 (Az. 26 K 4302/06) führt das Verwaltungsgericht aus:

„Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge für die von ihnen abgeschlossene Unfallversicherung in Höhe des in dem streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Beitrages von 8,17 EUR monatlich bzw. 13,93 EUR monatlich (…). Die Klägerin hat ferner Anspruch auf hälftige Erstattung der Aufwendungen für die von ihr bei (einer) Lebensversicherungs AG abgeschlossenen fondsgebundene Rentenversicherung (…). Der diesem Begehren entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 29.05.2006 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 11.09.2006 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

Die Kläger sind auch selbst Inhaber des geltend gemachten Erstattungsanspruches nach § 39 IV Satz 2 im Gegensatz zu den sonstigen Pflegegeldleistungen nach § 39 II und IV Satz 1 SGB VIII, die nur von den sorgeberechtigten Personen geltend gemacht werden können (mwN). Auch wenn die hier geltend gemachten Erstattungsleistungen von den laufenden Leistungen nach § 39 II Satz 1 und IV Satz 1 SGB VIII umfasst werden, folgt schon aus dem Charakter dieser Leistung als Erstattungsleistung, die nur bei Nachweis entsprechender Aufwendungen der Pflegeperson gewährt werden kann (mwN), dass Anspruchsinhaber insoweit sinnvollerweise nur die Pflegepersonen sein können, die die entsprechenden Versicherungsverträge im eigenen Namen abschließen und denen in eigener Person die Aufwendungen entstehen, die durch den Leistungsträger erstattet werden sollen. Dementsprechend sind die im vorliegenden Klageverfahren angegriffenen Bescheide des Beklagten auch an die Kläger persönlich adressiert.

Rechtsgrundlage für die Erstattung der nachgewiesenen Aufwendung der Kläger zu Beiträge einer Unfallversicherung ist § 39 IV Satz 2 SBG VIII.

Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen liegen hier sowohl hinsichtlich der Klägerin als auch hinsichtlich des Klägers zunächst grundsätzlich vor. Entgegen der Auffassung des Beklagten beschränkt sich die Erstattungspflicht bezüglich der Beiträge zu einer Unfallversicherung nicht auf eine (Haupt) Pflegeperson. Entscheidend ist vielmehr, dass sofern – wie hier – die Kläger als Pflegeelternpaar Leistung in der Familienpflege erbringen, nach der Intention des § 39 IV 2 SGB VIII, Pflegepersonen gegen entsprechende Risiken zu versichern, auch eine Pflegeperson, die einer vollen Erwerbstätigkeit nachgeht jedenfalls für den Zeitraum schutzbedürftig ist, in dem sie als Pflegeperson für das bei ihr untergebrachte Pflegekind zuständig ist, da die von der privaten Unfallversicherung abgedeckten Risiken unabhängig vom zeitlichen Umfang der jeweiligen Betreuung durch die jeweilige Pflegeperson im Rahmen der Familienpflege bestehen. Es spielt somit bei der Übernahme der Beiträge zur Unfallversicherung durch den Kostenträger keine Rolle, ob im Rahmen der Familienpflege beide Pflegepersonen zeitlich im gleichen Umgang die Pflegekinder betreuen oder aber eine Pflegeperson diese Aufgaben überwiegend übernimmt, während die andere in vollem Umfang erwerbstätig ist (mwN).

Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung ergibt sich aus § 39 IV Satz 1 SGB VIII, dass auch insoweit nur die angemessenen Aufwendungen erstattungsfähig sind. Der Begriff der Angemessenheit stellt insoweit einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der vollen Überprüfung des Verwaltungsgerichts unterliegt (vgl. Wiesner SGB VIII § 39 Rdnr. 32 d).

(…) In Ermangelung sonstiger für den hier vorliegenden Fall der Familienpflege greifbarer Bezugsgrößen bleibt somit nur die Möglichkeit, die Frage der Angemessenheit im Hinblick auf die konkret im Einzelfall in Rede stehende private Unfallversicherung zu beurteilen (…).

Die Klägerin hat zudem gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf die hälftige Erstattung der nachgewiesenen Aufwendungen für die von ihr bei der Lebensversicherungs AG abgeschlossene private Rentenversicherung (…).

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann dem Anspruch nicht entgegen gehalten werden, dass der Nachweis zu führen sei, dass nicht durch die frühere Erwerbstätigkeit bereits ein Anspruch auf eine angemessene Altersversorgung mitbegründet worden ist. Derartiges lässt sich weder dem Wortlaut der Bestimmung des § 39 IV Satz 2 SGB VIII entnehmen, noch wäre dies mit dem Sinn und Zweck der Bestimmung, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass Pflegeeltern ggfs. nicht wie vor Aufnahme des Pflegeverhältnisses in der Lage sind, Vorsorge für das Alter zu betreiben, zu vereinbaren.

Hinsichtlich der Frage der Angemessenheit der erstattungsfähigen Aufwendungen ist aus Sicht des Gerichts zunächst zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber offensichtlich keine Festlegung der Pflegeperson auf eine bestimmte Form der Altersvorsorge beabsichtigt hatte, so dass neben einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vielfältige Möglichkeiten der Altersvorsorge durch den Jugendhilfeträger zu berücksichtigen sind (…). Bei dieser Sachlage erscheint im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Art der Alterssicherung und der Angemessenheit der Höhe des zu zahlenden Beitrages zur Alterssicherung gemacht hat, ebenso wie bei der privaten Unfallversicherung der Gedanke maßgebend, ob die vor der Aufnahme des Pflegeverhältnisses betriebene Alterssicherung, ggfs. unter Berücksichtigung der bisherigen Einkommensverhältnisse noch als durchschnittliche Form der Altersvorsorge angesehen werden kann oder aber ob der Art der Alterssicherung oder der Höhe der Beiträge nach eine Form der Altersvorsorge betrieben wurde und wird, die deutlich das normale Maß überschreitet (…). Dem gegenüber steht dem Kläger (dem Pflegevater) kein Anspruch auf hälftige Erstattung der angemessenen Beiträge zu einer Alterssicherung zu. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung bei der hälftigen Erstattung der Beiträge für eine angemessene Alterssicherung ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die betreuende Person auf eine (vollzeitige) Erwerbstätigkeit verzichtet, um das Pflegekind bzw. die Pflegekinder zu betreuen und deshalb keine oder wegen Teilzeit–Erwerbstätigkeit nur reduzierte Rentenanwartschaften erwirbt. Die Erstattung dient damit ausschließlich der betreuenden Pflegeperson als Anreiz für die Aufnahme eines Pflegekindes, so dass der Anspruch pro Pflegefamilie nur einmal anfallen kann“.

Anmerkung:
Die Entscheidung des VG Köln ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam:

1. Ausdrücklich wird den Pflegeeltern die Klagebefugnis zugestanden, auch wenn diese nicht Vormund sind. Dies wird bei der Pflegegeldzahlung anders gesehen; diese darf grdsl. Nur vom Sorgerechtsinhaber eingeklagt werden. Pflegeeltern können diese Leistungen also einklagen, wenn sie ihnen nicht (vollständig) gewährt wird.
2. Das VG stellt ferner klar, dass die Unfallversicherung beiden Pflegeeltern zuzugestehen ist und nicht nur einem Pflegeelternteil.
3. Die Alterssicherung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass Pflegeeltern nicht wie vor Aufnahme des Pflegekindes Altersvorsorge betreiben können. Daher ist die hälftige Altersvorsorge auch dann zu erstatten, wenn die Pflegeperson zuvor schon Vorsorge betrieben hat. Dies lässt den Anspruch nicht entfallen.
4. Hinsichtlich der Höhe der zu erstattenden Leistung ist nach Ansicht des Gerichtes der konkrete Einzelfall auf seine Angemessenheit hin zu prüfen.
5. Nach Auffassung des VG Köln ist die (hälftige) Alterssicherung jedoch nur einmal pro Pflegestelle zu gewähren.

Quelle: RA Steffen Siefert

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OLG Köln: Nachträgliche Befreiung der Pflegeeltern von Gerichtskosten

OLG Köln: Nachträgliche Befreiung der Pflegeeltern von Gerichtskosten – Keine Sachverständigenkosten und keine Gerichtskosten für Pflegeeltern im Rechtsstreit

Müssen Pflegeeltern vor Gericht um ihre Rechte oder die Rechte des Pflegekindes kämpfen, etwa um den Verbleib ihres Pflegekindes, so wird am Ende des Verfahrens vom Gericht stets auch eine Entscheidung über die Kosten getroffen. Zu den Kosten zählen die sogenannten außergerichtlichen Kosten, also die Kosten eines für die Pflegeeltern tätigen Rechtsanwaltes. Hierfür müssen die Pflegeeltern in den allermeisten Fällen letztlich selbst aufkommen. Dies wäre nur dann anders, wenn die Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe vorliegen sollten. In einem Rechtstreit um ein Pflegekind entstehen jedoch meist noch eine Reihe weiterer Kosten, nämlich Gerichtskosten und insbesondere Kosten für ein Sachverständigengutachten sowie für einen vom Gericht hinzu gezogenen Verfahrenspfleger. Insbesondere die Sachverständigenkosten können sich schnell auf einige Tausend Euro belaufen.

Vorsorgliche Einflussnahme auf Kostenentscheidung
Grundsätzlich müssen Pflegeeltern nicht befürchten, mit Gerichtskosten und Sachverständigenkosten belastet zu werden. Nach überwiegender Rechtsprechung sind Pflegeeltern vielmehr von diesen Kosten auszuneh-men. Dennoch ist hier Vorsicht geboten! Denn gemäß § 94 Kostenordnung kann das Gericht etwa im Falle einer Verbleibensanordnung „nach billigem Ermessen bestimmen“, wer von den Beteiligten Kosten zu tragen hat. In dieser Vorschrift ausdrücklich vorgesehen ist auch, dass das Gericht von der Erhebung der Kosten absehen kann.

Nicht selten erlassen Familiengerichte jedoch die Kostenentscheidung, wonach die Kosten „gegeneinander aufgehoben“ werden. Dies bedeutet, dass jede Partei die hälftigen Kosten übernimmt. Eine solche Kostenentscheidung ist unbedingt zu vermeiden, da dann die Gefahr besteht, mit den hälftigen Sachverständigenkosten sowie den hälftigen Verfahrenspflegerkosten belastet zu werden. Es empfiehlt sich daher, bereits im Vorfeld dem Gericht die einschlägige Rechtsprechung bekannt zu machen, wonach eine anders lautende Kostenentscheidung zu treffen ist. Der Verfasser versucht daher bereits im Vorfeld des Verfahrens darauf hinzuwirken, dass die Kostenentscheidung wie folgt lautet:

„Gerichtskosten und Auslagen werden nicht erhoben;
außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet“.

Bei einer solchen Kostenentscheidung müssen Pflegeeltern nicht befürch-ten, Gerichtskosten oder Gutachterkosten zu zahlen. Argumente sind hier im Wesentlichen, dass aufgrund des Amtsermittlungsprinzips das Gericht auch von Amts wegen ein Gutachten anordnen kann und gegebenenfalls muss, also nicht an Anträge der Pflegeeltern gebunden ist. Außerdem wird das Gutachten letztlich im Sinne und zum Wohle des Kindes eingeholt und nicht im Interesse der Pflegeeltern.

Ergänzend sollte mit einschlägigen Entscheidungen argumentiert werden, etwa des OLG Celle, FamRZ 2004, 390, in welcher es im Tenor heißt:

„Den Pflegeeltern können im Streit um eine Verbleibensanordnung für das Pflegekind weder Gerichtskosten noch Auslagen auferlegt werden“.

Auch das OLG Köln (FamRZ 01, 1471 f.) führt aus:

„Es geht nicht an, Pflegeeltern, denen der Gesetzgeber in § 1632 IV BGB deswegen ein eigenes Antragsrecht eingeräumt hat, um zu vermeiden, dass leibliche Eltern eines Pflegekindes das Kindeswohl dadurch gefährden, dass sie zur Unzeit die Herausgabe verlangen, mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko zu belasten, wenn sie im wohlverstandenem Interesse des Kindes von diesem Antragsrecht Gebrauch machen“.

Nachträgliche Korrektur ungünstiger Kostenentscheidungen
Es kann sich jedoch auch lohnen, eine bereits ergangene Kostenentscheidung noch einmal anzugreifen, welche die Pflegeeltern belastet. So ist es etwa dem Verfasser gelungen, das OLG Köln zu veranlassen, eine für Pflegeeltern nachteilige und für diese sehr teuere Kostenentscheidung nachträglich aufzuheben, obwohl hier der Beschluss bereits bestandskräftig und damit eigentlich nicht mehr anfechtbar war. Dies gelang mit einem an sich in der Prozessordnung nicht vorgesehenen Rechtsmittel, einer sogenannten Gegenvorstellung. Auf diese hat das OLG Köln (II-14 UF 103/07) mit Beschluss vom 01.12.2008 seine vorangegangene Entscheidung vom 10.12.2007 vom Amts wegen in der Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass die Pflegeeltern von Gerichtsgebühren und Auslagen ausgenommen werden. Das OLG führt in dem Beschluss in den Gründen aus:

„Die Kostenentscheidung des Beschlusses belastet die Pflegeeltern auf den in ihrer Gegenvorstellung vom 15.10.2008 zutreffend geltend gemachten Gründen zu Unrecht, so dass sich der Senat veranlasst sieht, die Entscheidung von Amts wegen abzuändern“.

Quelle: RA Steffen Siefert

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