Es gibt einen weiteren positiven Meilenstein der Rechtsprechung für
Pflegeeltern. Bei wem Pflegeversicherungsgeld beim Mehrbedarf abgezogen
wird durch sein Jugendamt, kann das Geld vom Jugendamt mit diesem
begründeten Urteil zurückfordern. Einfach einen Überprüfungsantrag
stellen.
Pflegeeltern aus dem Kreis Herzogtum-Lauenburg hatten gegen die
Kürzung des Pflegegeldes für ihr schwerbehindertes Pflegekind geklagt.
Der Kreis hat das zusätzliche Pflegeversicherungsgeld beim Mehrbedarf
angerechnet und deshalb gekürzt.
Das BVerwG hat im November 2017 nun letztinstantlich dem Widerspruch und der Klage der Pflegeeltern zugestimmt.
Urteil des 5. Senats vom 24. November 2017 BVerwG 5 C 15.16 Jugendhilfe- und Jugendschutzrecht
Keine Anrechnung von Pflegeversicherungsgeld auf das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII
Häufig sind Pflegeeltern Vormund oder Vormünder für ihre
Pflegekinder. Dies ist sicherlich auch regelmäßig vorzugswürdig.
Pflegeeltern können entweder durch eine Entscheidung des
Familiengerichts oder des Vormundschaftsgerichtes zu Vormündern bestellt
werden.
Zu den näheren Hintergründen verweise ich insoweit auf http://www.pflegeelternrecht.de/pf/vormundschaft.php?detail=4
Nicht selten jedoch wird nach einer solchen Vormundschaftsübertragung
auf die Pflegeeltern diesen das Pflegegeld verweigert. Dies geschieht
häufig mit der Begründung, die dem Vormund obliegende Personensorge
beinhalte nach § 1800, § 1631 I BGB auch das Recht und die Pflicht zur
Pflege und Erziehung des Mündels. Daher sei der erzieherische Bedarf des
Kindes insoweit gedeckt. Es käme daher kein Anspruch mehr auf
Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) in Betracht, mit der Folge, dass
auch das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII nicht mehr bewilligt wird. Diese
Auffassung ist jedoch falsch und nicht haltbar. Pflegeeltern steht auch
dann das Pflegegeld zu, wenn diese Vormund sind!
Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung (NJW
1996, 2385) ganz eindeutig klargestellt. Das Bundesverwaltungsgericht
hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass auch einem Vormund, der ein
Mündel, sein Pflegekind, in seiner Familie betreut, regelmäßig Hilfe zur
Erziehung und damit Pflegegeld zustehen wird. In dieser Entscheidung
vom 15.12.1995 (5 C 2/94) ist festgehalten:
1.Ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung und Vollzeitpflege nach §§ 27,
33 SGB VIII setzt nicht voraus, dass die Herkunftsfamilie des Kindes
oder Jugendlichen noch vorhanden ist.
2.Auch einem Vormund, der sein Mündel in seiner Familie betreut, kann Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege zustehen.
Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass
der Vormund bereits nicht verpflichtet sei, die Betreuung seines
Mündels selbst zu übernehmen. Es ist ausreichend, wenn er entsprechend
hierfür Sorge trägt. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass
der Vormund diese Leistung unentgeltlich erbringe. Zutreffend führt das
Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung aus:
„Damit (durch die Übertragung von Sorgerechtsangelegenheiten auf
Pflegepersonen) soll die Betreuung erleichtert und verbessert,
keinesfalls aber ihre finanzielle Absicherung verschlechtert werden.
Dadurch, dass die Pflegeperson mit der Übertragung der Personensorge
insoweit die Pflichten eines Pflegers erhält, soll der bisherige
Unterhaltsbedarf des Kindes oder des Jugendlichen, der auch die Kosten
der Erziehung um-fasst, nicht verringert werden; insbesondere bewirkt
eine solche Übertragung der Personensorge auf die Pflegeperson nicht,
dass die tatsächliche Erziehung des Kindes oder des Jugendlichen durch
die Pflegeperson kostenlos wird“.
Pflegeeltern, welche die Vormundschaft inne haben und natürlich auch
andere Vormünder haben damit gleichzeitig auch das Recht, einen Antrag
auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und damit auch auf
Pflegegeld zu stellen. Da diese Hilfe rückwirkend erst ab Antragstellung
gewährt wird, und nicht etwa bereits ab Beginn der Pflege, sei dringend
angeraten, schriftlich einen entsprechenden Antrag zu stellen.
Vormündern, welchen das Pflegegeld gestrichen wurde, sei angeraten,
hiergegen rechtliche Schritte einzulegen. Als Vormund hat man hier neben
dem Antragsrecht ohne weiteres auch die Berechtigung zur
Widerspruchseinlegung bzw. zur Klage.
Entscheidend für die Frage, welches Jugendamt für die Betreuung des
Pflegeverhältnisses zuständig ist, ist die sog. örtliche Zuständigkeit.
Diese ist in der recht komplizierten Vorschrift des § 86 SGB VIII
geregelt. Örtlich zuständig ist zunächst regelmäßig das Jugendamt, in
dessen Bereich die leiblichen Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt
haben. Ziehen leibliche Eltern in den Bereich eines anderen Jugendamtes,
so führt dies regelmäßig dazu, dass auch ein anderes Jugendamt für das
Pflegeverhältnis zuständig wird. Daneben gibt es Sonderregelungen, wenn
das Sorgerecht (teilweise) entzogen wurde. Wie die meisten Pflegeeltern
jedoch wissen, ändert sich dies nach zwei Jahren Pflegedauer. Dann wird
das Jugendamt zuständig, in dessen Bereich die Pflegeeltern leben.
Geregelt ist dies in § 86 Abs. 6 SGB VIII. Die Vorschrift lautet:
„Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer
Pflegeperson und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu
erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1-5 der örtliche
Träge zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen
Aufenthalt hat.“
Der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit kann Vor- und Nachteile
haben. Dass nach zwei Jahren, unabhängig vom Aufenthaltsort der
leiblichen El-tern, das Jugendamt am Wohnort der Pflegeeltern zuständig
wird und bleibt, ist zunächst sicherlich als Anerkennung der faktischen
Eltern-Kind-Bindung zwischen Pflegekind und Pflegeeltern zu sehen. Der
Standard-Kommentar Wiesner (SGB VIII, § 86 Rdnr. 33) führt hierzu aus:
„Die Vorschrift trägt der psychosozialen Realität Rech-nung, dass ein
Kind oder ein Jugendlicher, das bzw. der längere Zeit mit anderen
Personen zusammen lebt, die sich ihm liebevoll zuwenden, ein neues
schützeswertes Eltern-Kind-Verhältnis begründen kann“.
Mögliches Problem: Fortbestand bisheriger Vereinbarungen
Die größere Ortsnähe für die Pflegeeltern und die Kenntnis der
infrastruk-turellen Gegebenheiten wird häufig als Vorteil angesehen. Auf
der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass der Wechsel der
Zuständigkeit nach zwei Jahren regelmäßig auch einen Bruch der
Kontinuität in der Betreuung des Pflegeverhältnisses mit sich bringt,
immer wieder auch durchaus neue Ansätze für die Bearbeitung des
Pflegeverhältnisses. Je nach Sachbearbeiter kann der Wechsel dazu
führen, dass das neue Jugendamt gänzlich andere Ansätze vertritt und
verfolgt, etwa bei der Häufigkeit der Umgangsgestaltung oder ähnliches.
Wie so häufig steht und fällt dies mit der jeweiligen Qualität des
übernehmenden Jugendamtes bzw. Sacharbeiters. Besonders problematisch
kann der Wechsel dann werden, wenn beim zuerst zuständigen Jugendamt ein
freier Träger eingeschaltet wurde, welcher die Pflegeeltern qualitativ
hochwertig betreut und begleitet. Es kommt hier nicht selten dazu, dass
das nach zwei Jahren zuständige Jugendamt eine weitere Zusammenarbeit
mit diesem freien Träger – in der Regel aus Kostengründen – nicht
fortsetzen will. Als Beispiel sei genannt, dass das neu zuständige
Jugendamt etwa keine Sonderpflegestellen („Westfälische Pflegefamilie“)
anerkennt oder grundsätzlich nicht mit freien Trägern wie der Diakonie
oä zusammenarbeitet und diese Vereinbarungen nicht übernehmen will. Nach
der Rechtsprechung ist dabei leider auch das neu übernehmende Jugendamt
nicht gezwungen, bestehende Verträge einfach zu übernehmen. Nach einem
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2004 (Aktenzeichen.: 5
B 80/04) kann nämlich „der Wechsel der Zuständigkeit nicht als Eintritt
in ein fremdes Rechtsverhältnis nach Art einer Vertragsübernahme
bewertet werden (…), sondern (es wird) die Begründung einer eigenen
Wahrnehmungskompetenz bewirkt und der nunmehr zuständige örtliche Träger
hat mit Wirkung für die Zukunft den Jugendhilfefall in eigener
Verantwortung zu regeln“.
Die Möglichkeit des Wegfalls einer bewährten und qualitativ
hochwertigen Beratung und Betreuung der Pflegeeltern aufgrund des
Wechsels, insbesondere bei Betreuung durch einen freien Träger, wird von
Pflegeeltern vielfach als erheblicher Nachteil erlebt. Nach der
derzeitigen Rechtslage ist aber häufig schwierig, bei einem Wechsel die
Beibehaltung der Betreuung durchzusetzen. Sind Pflegeeltern gleichzeitig
auch Personensorgeberechtigte, wäre ein denkbarer Weg, sich hier auf
das Wunsch- und Wahlrecht bei Beratung und Betreuung zu berufen, § 5 SGB
VIII i.V. § 37 II SGB VIII. Ansonsten muss bezüglich dieses Nachteiles
festgehalten werden, dass eine Neuregelung des Gesetzgebers zur
Sicherung der Konstanz und der qualitativen Standards bei Beratung und
Begleitung eines Pflegeverhältnisses geboten wäre. Denn derzeit können
Pflegeeltern beim Wechsel der örtlichen Zuständigkeit nicht auf den
Fortbestand der vertraglichen Ver-einbarung mit dem bisher zuständigen
örtlichen Jugendamt vertrauen.
Voraussetzungen des Wechsels
Von derlei Problemen abgesehen, wird der Wechsel an das „heimische“
Jugendamt aber von Pflegeeltern oftmals als bereichernd angesehen. Nicht
selten stellt sich sogar die Problematik, dass das zuständige Jugendamt
nach zwei Jahren die Zuständigkeit nicht abgeben möchte. Die Frage,
wann denn genau der Fall abgegeben werden muss, ist aber inzwischen
höchstrichterlich eindeutig geklärt. Insbesondere ist geklärt, dass die
Zuständigkeit kraft Gesetzes automatisch eintritt und nicht etwa erst
eine Übernahmeentscheidung des alten Jugendamtes voraussetzt. Der BGH
hat etwa im Urteil vom 23.07.03 (NJW 03, 3419 ff.) hierzu ausgeführt:
„Nach dem Wortlaut des § 86 VI SGB VIII tritt ein
Zuständigkeitswechsel kraft Gesetzes ein (mwN) und bedarf daher keiner
zuständigkeitsbegründenden Erklärung des übernehmenden Trägers der
Jugendhilfe.(…). Zum Zeitablauf von zwei Jahren hinzukommen muss die
Prognose für den künftigen Verbleib des Kindes oder Jugendlichen auf
Dauer bei dieser Pflegeperson. Wann dies der Fall ist und wer diese
Prognose anzustellen hat, wird in § 86 VI SGB VIII selbst nicht
definiert. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der
Auslegung bedarf. Dabei ist es zu weitgehend, wenn der Begriff „auf
Dauer zu erwarten“ so ausgelegt wird, dass die Rückkehr in die
Herkunftsfamilie für alle Zeiten ausgeschlossen ist. Vielmehr ist es
ausreichend, wenn prognostiziert wird, dass eine Rückkehr bis auf
weiteres nicht zu erwarten ist und die Pflegeperson bereit und in der
Lage ist, das Kind oder den Jugendlichen auf Dauer, d.h. mindestens bis
zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu betreuen (…). Grundlage für die
Prognose sind daher die im Rahmen des Hilfe-plans bzw. auf seiner
Fortschreibung getroffenen Feststellungen (mwN). Wenn nach einem
zweijährigen Aufenthalt bei der Pflegeperson nach dem aktuellen
Hilfeplan der noch bemessene Zeitraum des Verbleibs nicht auf wenige
Monate begrenzt ist und konkret keine Rückkehr in die Herkunftsfamilie
zu erwarten oder geplant ist, ist ein Zuständigkeitswechsel auf das
Jugendamt des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Pflegeperson im
Interesse einer ortsnahen Planung und Betreuung bei der Erziehungshilfe
geboten (mwN). Folglich wird das Jugendamt am neuen gewöhnlichen
Aufenthaltsort des Kindes oder Jugendlichen in aller Regel an die
Einschätzungen des bisher zuständigen Jugendamtes gebunden sein (mwN). „
Der BGH führt in der zitierten Entscheidung sogar aus, dass ein Träger
der Jugendhilfe seine gegenüber dem Kind bestehenden Amtspflichten
verletzt, wenn er trotz des aus Gründen der Ortsnähe eingetretenen
Zuständigkeitswechsels gem. § 86 VI SGB VIII rechtswidrig die Übernahme
der Hilfeleistung ablehnt. Der BGH hat seine deutliche Rechtsauffassung
etwa im Urteil vom 21.10.04 (FamRZ 05, 83 f.) wiederholt.
Sollte also ein Jugendamt entgegen des Wunsches von Pflegeeltern
seine Zuständigkeit nach zwei Jahren nicht abgeben wollen, so bestehen
hier regelmäßig gute Aussichten, dies auf der Grundlage der oben
zitierten Rechtsprechung durchzusetzen.
Wird ein Kind in einer Pflegefamilie untergebracht und Tag und Nacht
von den Pflegeeltern betreut, so geschieht dies regelmäßig im Rahmen der
Vollzeitpflege. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte „Hilfe zur
Erziehung“ nach §§ 27, 33 SGB VIII. § 27 SGB VIII gibt den Personensorgeberechtigten einen Anspruch
auf entsprechende Hilfe zur Erziehung des Kindes, wenn eine dem
Kindeswohl gerecht werdende Erziehung nicht gewährleistet ist und diese
Hilfe für die Entwicklung des Kindes geeignet und notwendig ist. Das
Gesetz hält eine ganze Reihe von möglichen Hilfeformen bereit. Als Hilfe
kann etwa eine Erziehungsberatung gewährt werden, eine
sozialpädagogische Familienhilfe oder eben auch eine Vollzeitpflege, §
33 SGB VIII. Eine solche Vollzeitpflege wird wohl bei den meisten Lesern
des Paten vorliegen. Wurde eine solche Vollzeitpflege vom Jugendamt
bewilligt, so hat dies mehrere rechtliche Folgen: So haben die
Pflegeeltern gegenüber dem Jugendamt einen Anspruch auf Beratung und
Unterstützung (§ 37 II SGB VIII). Daneben ist automatische Folge der
Hilfebewilligung auch, dass der notwendige Unterhalt des Pflegekindes sicherzustellen
ist. Der notwendige Unterhalt umfasst zum einen die materiellen
Aufwendungen, zum anderen die Kosten der Erziehung. Geregelt ist dies in
§ 39 I SGB VIII. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird ein
monatliches pauschales Pflegegeld gewährt. Das Gesetz sieht vor,
dass die zuständige Behörde, in der Regel das Landesjugendamt oder die
Landesjugendbehörde, die pauschalen Pflegegeldsätze festsetzen kann.
Soweit die Pflegegeldsätze entsprechend festgesetzt wurden, ist dies für
die Jugendämter absolut verbindlich. Die Jugendämter können hiervon
also nicht nach unten abweichen und nur ein geringeres Pflegegeld
auszahlen. Ein Abweichen nach oben ist jedoch möglich, wenn die
Besonderheiten des Einzelfalles dies geboten sein lassen, § 39 IV 2 SGB
VIII. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Pflegefamilien
besondere Erziehungsleistungen erbringen müssen, etwa bei behinderten
oder auch traumatisierten Pflegekindern. Dann kann insbesondere in Frage
kommen, dass eine erhöhte Erziehungspauschale gezahlt wird.
In der Praxis haben wir es jedoch immer wieder erlebt, dass einzelne
Jugendämter mit den Pflegeeltern schriftliche Verträge abschließen, in
welchen sich die Pflegeeltern bereit erklären, ein Pflegekind zu einem geringeren Betrag als von der Behörde festgelegt
zu betreuen und zu erziehen. Nicht selten unterschreiben Pflegeeltern
solche Verträge auch, da ihnen gar nicht bekannt ist, dass das
eigentliche Pflegegeld höher liegt. Diese Praxis ist nach unserer
Auffassung jedoch rechtswidrig, da die festgesetzten Pflegegeldsätze für
die Jugendämter absolut verbindlich sind. Wir können daher Pflegegeld
nur empfehlen, derartige Verträge nicht zu unterschreiben oder, falls
dies aus Unkenntnis geschehen ist, hiergegen vorzugehen.
Häufig stellt sich hier jedoch folgende rechtliche Problematik: Obwohl das Pflegegeld einzig und alleine an die Pflegeeltern auszuzahlen ist, sind diese nach ganz überwiegender Rechtsprechung nicht Inhaber des Anspruches
auf Pflegegeld. Das Bundesverwaltungsgericht (FamRZ 2002, 668 f.)
verneint einen entsprechenden Anspruch der Pflegeeltern. Es stellt sich
dabei auf den Standpunkt, die Zahlung von Pflegegeld hänge unmittelbar
mit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege
zusammen. Diese Hilfe steht jedoch nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 27
SGB VIII) nur dem Personensorgeberechtigten zu, also demjenigen, welcher
die elterliche Personensorge für das Kind inne hat. Dies werden
häufig die leiblichen Eltern sein, oder aber auch der Amtsvormund. Aus
dieser Rechtsansicht folgt, dass Pflegeeltern nicht befugt sind,
Widerspruch oder Klage einzulegen, wenn etwa Vollzeitpflege zu Unrecht
gar nicht bewilligt wird, ein falsches Pflegegeld ausgezahlt wird usw.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn Pflegeeltern – wie meistens – nicht
Inhaber des Personensorgerechtes sind. Diese Rechtslage ist natürlich in
höchstem Maße unbefriedigend für Pflegeeltern. Zwar gibt es Stimmen in
der juristischen Literatur und auch vereinzelte Gerichtsentscheidungen,
welche dies anders sehen und den Pflegeeltern die Befugnis zur Klage
zusprechen. Spätestens seit der Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung
müssen Pflegeeltern jedoch damit rechnen, dass sie zunächst nicht das
Recht haben, sich beispielsweise gegen falsch festgesetztes Pflegegeld
zu wehren. Hier wäre sicherlich dringend ein Handeln des Gesetzgebers
erforderlich.
Was aber können Pflegeeltern in derartigen Situationen tun? Wenn die
Sorgerechtsinhaberin Widerspruch einlegt bzw. klagt, ist die
Angelegenheit grundsätzlich problemlos. Denn dann wird zulässigerweise
ein Verfahren in Gang gesetzt, in welchem die falsche
Behördenentscheidung überprüft werden kann. Häufig wird dies jedoch,
etwa wegen Interessenkollisionen, schwierig sein. Außerdem müssen die
Pflegeeltern, selbst wenn dies geschieht, darauf hoffen, dass
Widerspruch bzw. Klage mit der nötigen Sorgfalt und der erforderlichen
Sachkenntnis durchgeführt wird. Sie können nur bedingt Einfluss hierauf
nehmen. Die Pflegeeltern könnten auch versuchen, stellvertretend für den
Sorgerechtsinhaber zu klagen. Erforderlich hierfür ist eine Vollmacht.
Das Einklagen „fremder Rechte in eigenem Namen“ ist aber umstritten. Das
VG Aachen billigt dies den Pflegeeltern zu (AZ: 2 K 1433/02, nicht
rkr.) Andere Entscheidungen verneinen dies jedoch. Denkbar wäre ferner,
eine Zivilklage aus dem Pflegevertrag ans Amts- bzw. Landgericht
einzureichen, anstatt gegen den Bescheid der Behörde beim
Verwaltungsgericht. Aber auch dieses Vorgehen kann juristische Probleme
aufwerfen. Wir empfehlen daher dringend, dass Pflegeeltern sich darum
bemühen, selbst Inhaber des Rechtes zu werden, Hilfe zur Erziehung zu
beantragen. Denn dann haben die Pflegeeltern auch selbst das Recht,
gegen falsche Behördenentscheidungen Widerspruch einzulegen und Klage
einzureichen! Die oben dargestellte Zulässigkeitsproblematik existiert
dann nicht. Das Recht, Hilfe zur Erziehung zu fordern, ist ein Teil des
Sorgerechtes. Daher erhalten Pflegeeltern dieses Recht dann, wenn sie
das gesamte Sorgerecht übertragen bekommen oder zumindest dieses
Einzelrecht. In ersterem Fall spricht man von „Vormundschaft“, in
letzterem Fall von „Pflegschaft“. Steht das elterliche Sorgerecht noch
den leiblichen Eltern zu und sind diese mit einer Übertragung auf die
Pflegeeltern einverstanden, dann ist eine solche freiwillige Sorgerechtsübertragung nach § 1630 III BGBrelativ
problemlos möglich und vom Gesetzgeber im übrigen auch erwünscht.
Schwieriger ist es, leiblichen Eltern das Sorgerecht gegen deren Willen
zu entziehen. Wenn diese sich weigern, von ihrem Sorgerecht zum Wohle
des Kindes Gebrauch zu machen und etwa gegen falsche
Behördenentscheidungen vorzugehen, dürfte jedoch regelmäßig ein
Missbrauch des Sorgerechtes vorliegen. In diesem Falle ist ein Antrag auf (teilweisen) Sorgerechtsentzug aussichtsreich. Dies gilt auch, wenn eine Amtsvormundschaft
besteht. Gegenüber einem Amtsvormund sind Pflegeeltern als
Einzelpersonen ohnehin bevorzugt. Hier wird auf den gesonderten Aufsatz
zur Vormundschaft verwiesen.
Immer noch erlebt der Verfasser in seiner beruflichen Praxis, dass
Verwandten, welche ein Kind in Pflege haben, das Pflegegeld verweigert
wird. Die Problematik ist insbesondere bei Großeltern, die ihre Enkel
pflegen, zu beobachten. Aber auch wenn ein Kind von Onkel, Tante, Bruder
oder Schwester gepflegt wird, wird oft fälschlich das Pflegegeld
verweigert. Weil bei Verwandtenpflege keine Pflegeerlaubnis erforderlich
ist (§ 44 I Nr. 3 SGB VIII), werden solche Maßnahmen oft ohne
Beteiligung des Jugendamtes begonnen. Werden dann später Anträge auf
Einrichtung einer Vollzeitpflege, § 33 SGB VIII, mit der Folge einer
Pflegegeldzahlung gestellt, so werden diese Anträge nicht selten von den
Jugendämtern zurückgewiesen. Dabei ist als Begründung immer noch zu
lesen, eine Pflegegeldzahlung komme nicht in Betracht, da die Großeltern
mit dem Kind in gerader Linie verwandt seien und damit
unterhaltsverpflichtet. Bereits früher hat die Rechtsprechung gegen
diese Verwaltungspraxis vielfältige Argumente geliefert. Seit der
Neuregelung des SGB VIII durch das Kick ist diese Argumentation jedoch
schlichtweg falsch und rechtswidrig. Der Gesetzgeber hat hier einen
neuen Absatz 2 a in § 27 SGB VIII eingeführt und klargestellt, dass das
Verwandtschaftsverhältnis kein Hinderungsgrund für eine Hilfegewährung
ist. Die Vorschrift des § 27 Abs. 2 a lautet:
„Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des
Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch Hilfe zur Erziehung
nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist,
diese Aufnahme zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung
setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist,
den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen
Jugendhilfe nach Maßgaben der §§ 36 und 37 zu decken“.
Damit hat der Gesetzgeber – bereits seit dem 01.10.2005 –
klargestellt, dass der Hilfeanspruch nicht alleine deshalb versagt
werden kann, weil die Pflegeeltern mit dem Kind verwandt sind. Diese
müssen lediglich – wie alle Pflegeeltern – zur Pflege geeignet sein und
ferner mit dem Jugendamt im Rahmen der Hilfeplanung zusammenarbeiten.
Daher ist Verwandten, insbesondere Großeltern, welchen derzeit kein
Pflegegeld gewährt wird, zu raten, hier einen schriftlichen Antrag auf
Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege zu stellen.
Sollte ein Antrag abgelehnt worden sein, so sollte hiergegen
Widerspruch eingelegt werden. Zu beachten ist dabei, dass ein
Widerspruch gegen einen Bescheid innerhalb der Frist eines Monats
eingereicht werden muss. Wird das Pflegegeld auch nach dem Widerspruch
nicht gewährt, so erhalten die Antragsteller einen sogenannten
Widerspruchsbescheid. Hiergegen kann dann Klage zum Verwaltungsgericht
eingelegt werden. Auch hierbei gilt wieder die Frist von einem Monat.
Die neueste Kommentarliteratur führt insoweit etwa auch ausdrücklich aus (Wiesner, 3. Aufl., § 27 Rn 26 d):
„Dass der im Rahmen des Unterhaltes von Großeltern geschuldete
Betreuungsbedarf den erzieherischen Bedarf nicht abdeckt, ist nunmehr
explizit geregelt. Damit wird den gegen die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichtes zur Verwandtenpflege bestehenden fachlichen
und rechtlichen Bedenken Rechnung getragen. Das Bundesverwaltungsgericht
hat bislang einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege
durch Großeltern und damit auch auf Leistungen zum Unterhalt gem. § 39
nur dann als gegeben erachtet, wenn die Großeltern die Betreuung ihres
Enkelkindes nicht in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht leisten und zur
unentgeltlichen Pflege nicht bereit sind. Diese Rechtsprechung
widerspricht Sinn und Zweck der §§ 27, 33 und ist mit der Systematik des
SGB VIII nicht vereinbar“.
Gerade diese Rechtsprechung ist jedoch nach der Neuregelung durch den
Gesetzgeber nicht mehr einschlägig und nicht mehr anwendbar.
Neben der Problematik, dass Pflegeeltern gar kein Pflegegeld gewährt
wird, häuft sich auch die Problematik, dass dieses pauschal um eine
erhebliche Summe gekürzt wird. Grundsätzlich ist zu sagen, dass eine
solche Kürzung in Frage kommen kann. Denn nach § 39 IV 4 SGB VIII kann
der monatliche Pauschalbetrag angemessen gekürzt werden, wenn die
Pflegeperson unterhaltsverpflichtet ist. Eine pauschale Kürzung ist
jedoch rechtswidrig. Dies wurde kürzlich etwa vom Verwaltungsgericht
Arnsberg (Urteil vom 30.01.2007, 11 K 2207/06) entschieden. Im
entschiedenen Fall hatte ein Jugendamt Großeltern das Pflegegeld
pauschal um 20 % gekürzt. Das Verwaltungsgericht führt in der
Entscheidung deutlich aus:
„Indessen ist der Beklagte (…) zu Unrecht davon ausgegangen, dass er
die damit der Sache nach verfügte Pflegegeldkürzung auf der Grundlage
einer pauschalen Regelung vornehmen durfte. Dies ist indessen nicht der
Fall. Nach dem Sinn und Zweck der in § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII
getroffenen Kürzungsregelung hätte in die vom Beklagten insoweit
getroffene Ermessensentscheidung das Ergebnis einer – auch an der
finanziellen Situation der Pflegeeltern orientierten Einzelfallprüfung
einfließen müssen.“
Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtes kommt eine
Pflegegeldkürzung zwar grundsätzlich in Betracht, wenn eine
Unterhaltsverpflichtung besteht. Das Jugendamt kann jedoch nicht einfach
pauschal das Pflegegeld kürzen. Vielmehr „hat das Jugendamt die
Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Pflegeperson im Rahmen des
dann eröffneten Ermessens zu berücksichtigen.“
Mit anderen Worten: Zwingend notwendig ist eine Einzelfallbezogene
Klärung der Leistungsfähigkeit der Großeltern. Das Verwaltungsgericht
führt insoweit aus:
„Über die Frage, ob eine Pflegegeldkürzung angemessen im Sinne der
genannten Norm ist, kann nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten
des Einzelfalles entschieden werden (so ausdrücklich auch die
Gesetzesbegründung in BTDRS. 15/3676 vom 06.09.2004). Bei dieser
Einzelfallentscheidung ist die – aktuelle – Leistungsfähigkeit der
Großeltern ebenso von Bedeutung wie die Frage, ob das Pflegekind
aufgrund bestimmter Umstände einen erhöhten Erziehungs- und
Betreuungsaufwand verursacht“.
Nach dieser Entscheidung käme demnach eine Kürzung also auch dann
nicht in Betracht, wenn das Pflegekind einen überdurchschnittlichen
Erziehungs- und Betreuungsaufwand einfordert.
Daher wird empfohlen, dass betroffene Pflegeeltern sich gegen
pauschalierte Summen des Pflegegeldes, bei welchen diese Umstände nicht
geprüft wurden, mit Widerspruch bzw. Klage zur Wehr setzen.
Gerade, wenn Pflegepersonen mit dem Pflegekind verwandt sind, kommt
es in der Praxis immer noch zu Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des
Pflegegeldes. Dies betrifft vornehmlich Fälle, in welchem die
Pflegeeltern oder ein Pflegeelternteil mit dem Kind in gerader Linie
verwandt sind, also meistens Anträge auf Pflegegeld einer Großmutter
oder eines Großvaters. Aber auch in anderen Verwandtschaftsbeziehungen
(etwa Pflege durch Onkel, Tante, Geschwister usw.) erlebt der
Unterzeichner hier immer wieder Probleme.
Die häufigsten Gegenargumente von Jugendämtern:
Nicht selten wird von Seiten der Jugendämter argumentiert, die
sorgeberechtigten Eltern hätten ihr Kind zwar in die Obhut dieser
Verwandten geben können. Hieran sei jedoch das Jugendamt nicht beteiligt
gewesen, so dass auch ein Pflegegeld nicht zu zahlen wäre. Immer wieder
erlebt der Unterzeichner auch, dass von Seiten der Jugendämter
argumentiert wird, ein Pflegegeld könne nicht bezahlt werden, da er in
der Pflegefamilie kein Hilfebedarf bestünde, das Kind entwickele sich
doch dort gut. Daneben wird oft argumentiert, bei der – oft privat
initiierten – Verbringung des Kindes in eine Verwandtenpflegestelle
handele es sich um ein rein „familieninternes Agreement“. Diese
Argumente laufen letztlich darauf hinaus, dass von Seiten der
Jugendämter die Notwendigkeit der Einrichtung einer Vollzeitpflege
infrage gestellt wird. Mitunter versuchen Jugendämter die Anträge auf
Pflegegeld auch mit dem Argument abzuwehren, dass die ohne Vermittlung
des Jugendamtes installierten Pflegeeltern nicht geeignet im Sinne des
Gesetzes wären.
Neue Verwaltungsgerichtsentscheidungen für Pflegeeltern:
Der Unterzeichner konnte hier für Pflegeeltern Pflegegeld mehrfach
erfolgreich durchsetzen. Beispielhaft werden hier zwei jüngere
verwaltungsgerichtliche Entscheidungen auszugsweise zitiert, in welchen
auch auf die oben zusammen gefassten Argumente eingegangen wird.
Im Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 08.09.2011
(Aktenzeichen: 3 A 5/11) heißt es etwa insoweit (Hervorhebungen jeweils
durch den Verfasser):
„Die Kläger haben einen Anspruch auf die Gewährung von Hilfe zur
Erziehung und Vollzeitpflege nach §§ 27 I, 33, 39 SGB VIII ab 17.09.2010
(…). Der erzieherische Bedarf entfällt hier auch nicht wegen der
Stellung der Kläger als Vormünder. Die Betreuung von Kindern, bei denen
ein Erziehungsausfall auf Seiten der Eltern besteht, kann auch ohne
öffentliche Jugendhilfe geleistet werden. Dafür kommen beispielsweise
Verwandte, Verschwägerte, Vormünder und Pfleger in Betracht, welche nach
§ 44 I Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VIII nicht einmal eine Erlaubnis zur
Vollzeitpflege benötigen. Ein Vormund kann eine jugendhilfeunabhängige
Betreuung selbst im Rahmen seiner Personensorge als Vormund erbringen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Frage,
ob ein Vormund ein Anspruch auf Leistungen nach § 39 SGB VIII hat,
entscheidend, ob dieser (weiterhin) zu einer jugendhilfeunabhängigen
Betreuung bereit ist, oder, etwa durch einen Antrag auf Hilfe zur
Erziehung zum Ausdruck bringt, die Betreuung nunmehr nur noch als
Vollzeitpflege in seiner Familie als Pflegefamilie zu erbringen (BVerfG,
Urteil vom 15.12.1995 – 5 C 2.94 – BVerfGE 100, 178; Urteil vom
04.09.1997 – 5 C 11.96 – FEVS 48, 289; so auch OVG NW, Urteil vom
06.09.2004 – 12 A 3625/03 – juris; OVG Bremen, Urteil vom 16.11.2005 – 2
A 111/05 – 2 A 111/05 juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 28.05.2009 – 1 A
54/08 – NVwZ-RR 2010, 584). Der erzieherische Bedarf kann also auch bei
einer von dem Vormund bzw. den Großeltern tatsächlich geleisteten
Betreuung nicht als gedeckt angesehen werden, wenn der Vormund bzw. die
Großeltern durch einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung deutlich gemacht
haben, dass sie zu einer unentgeltlichen Pflege nicht (mehr) bereit
sind. (…)
Die Kläger haben mit dem Antrag auf Hilfe zur Erziehung vom
17.09.2010 zum Ausdruck gebracht, zu einer unentgeltlichen Pflege und
Erziehung (des Kindes) nicht mehr bereit zu sein.
Damit war der erzieherische Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB VIII
trotz der tatsächlich fortdauernden Betreuung nicht mehr gedeckt. Im
Hinblick auf die Ausgestaltung der Vormundschaftsregelungen ist nicht zu
verlangen, dass die Kläger hätten ankündigen müssen, das Kind selbst
keinesfalls mehr unentgeltlich betreuen zu wollen. Ein solcher, in
vielen Fällen nur zur Erlangung von Zahlungen des Jugendamtes
aufgebauter Druck läge nicht im Interesse des Kindes. Die
Ernsthaftigkeit der Erklärung wäre schwer zu überprüfen. Die Kläger
haben zwar nicht die Aufgabe der Betreuung bei ausbleibender Zahlung von
Pflegegeld in Aussicht gestellt, aber doch hinreichend deutlich
gemacht, dass sie zu einer unentgeltlichen Betreuung nicht bereit sind
und den Hilfefall in die Hände des Jugendamtes legen. Das nach der
Entwicklung des Falles eine andere Maßnahme als die Unterbringung (des
Kindes) in ihrer Familie nicht in Betracht kommt, darf ihnen bei
Verfolgung ihres Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung nicht zum Nachteil
gereichen. (…).
Während eine Voraussetzung nach der
Bundesverwaltungsgerichts-rechtsprechung – die fehlende
Unterhaltspflicht bzw. bestehende Pflicht zur unentgeltlichen Betreuung –
durch § 27 Abs. 2a SGB VIII obsolet geworden ist, bleibt die andere
Voraussetzung – fehlende Bereitschaft zur unentgeltlichen Betreuung
weiterhin zu fordern. Davon ist hier – wie gezeigt – auszugehen. Die
Kläger müssen auch nicht darlegen, finanziell zu einer Betreuung nicht
in der Lage zu sein. Leistungsauslösender Tatbestand für die
Annexleistung der Sicherstellung des notwendigen Unterhalts gemäß § 39
SGB VIII ist allein die Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach §§ 32 –
35 SGB VIII bzw. von Eingliederungshilfe in Einrichtung nach § 35a Abs. 2
Nr. 2 – 4 SGB VIII. Eine materielle Bedürftigkeit der
Anspruchsberechtigten oder des Kindes ist nicht erforderlich (Wiesner,
SGB VIII, Kommentar, 4. Aufl., § 39 Rdnr. 10). Die Leistungen werden
nach § 91 Abs. 5 SGB VIII unabhängig von Einkommen und Vermögen gewährt.
Der Nachrang der Jugendhilfe wird durch Kostenbeiträge nach §§ 91ff.
SGB VIII gesichert, wobei zu den Kosten der Vollzeitpflege nach § 33 SGB
VIII nur die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst heranzuziehen
sind (§ 91 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII).
Die klägerische Familie ist eine „andere Familie“ im Sinne des § 33
Satz 1 SGB VIII. Die Pflegefamilie ist auch bei einer Verwandtenpflege
bzw. einem Vormund keine neue oder alternative „Herkunftsfamilie“,
sondern immer eine „andere Familie“. Die Herkunftsfamilie ist die
Familie, aus der das Kind ursprünglich kommt (BVerfG, Urteil vom
15.12.1995 – 5 C 2.94 – aaO). Die Übernahme der Pflege und Erziehung
durch einen Verwandten lässt den Bedarf an Erziehung in der
Herkunftsfamilie unberührt.
Ein erzieherisches Defizit in der Pflegefamilie ist für die Hilfe
nach §§ 27 Abs. 1, 33, 39 SGB VII nicht erforderlich (BVerfG, Urteil vom
04.09.1997 – 5 C 11.97 – aaO; Sächs. OVG, Beschluss vom 28.05.2009 – 1 A
54/08). Auch die Kläger können nicht erst Hilfe zur Erziehung und
Vollzeitpflege verlangen, wenn sie ihrerseits das Kind in eine weitere
Familie geben müssten.
Dass der Träger der Jugendhilfe im vorliegenden Fall seine
Steuerungsverantwortung im Sinne des § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht
durch eine Entscheidung zur Aufnahme in die Pflegefamilie nach Maßgabe
eines Hilfeplans wahrnehmen konnte, ist kein Hindernis für eine
Bewilligung zur Hilfe zur Erziehung (…) Entgegen der Wertung der
Beklagten wird die Hilfe zur Erziehung hier nicht zu einer bloßen
wirtschaftlichen Hilfe – das Jugendamt nicht zu einer „Zahlstelle“
degradiert. Der Jugendhilfeträger kann weiterhin über die Art und
Ausgestaltung der Hilfe entscheiden, den Jugendhilfeplan pädagogisch
beeinflussen und beratend tätig werden, worauf die Kläger im
Erörterungstermin ausdrücklich Wert gelegt haben. Das
Bundesverwaltungsgericht weist zu entsprechenden Bedenken von
Jugendämtern darauf hin, der Gesetzgeber habe nun einmal die Leistungen
zum Unterhalt nach § 39 SGB VIII als Bestandteil mit großem Gewicht zur
Sicherstellung der Pflege ausgestaltet (BVerfG, Urteil vom 15.12.1995,
aaO).“
Das Verwaltungsgericht Gießen hat in einem Urteil vom 14.09.2011
(Aktenzeichen: 2 K 5592/10.GI) ebenfalls einer Großmutter und
Pflegemutter das Pflegegeld zugesprochen. Zu dem Vorwurf des
Jugendamtes, diese sei angeblich nicht im jugendhilferechtlichen Sinne
geeignet, führt das Gericht aus:
„Maßgeblicher Angriffspunkt Beklagtenseite ist hierbei die
Geeignetheit der Klägerin in diesem Sinne, wobei entscheidend darauf
abgestellt wird, dass die Klägerin in der Vergangenheit im Rahmen der
für die Töchter erhaltenen Hilfe zur Erziehung gezeigt habe, dass sie
zur Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht
bereit oder nicht in der Lage sei. Wegen dieser fehlenden
Kooperationsbereitschaft geht der Beklagte von der Ungeeignetheit der
Klägerin als Vollzeitpflegestelle aus. Diese Einschätzung, die das
Ergebnis des kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses darstellt
und auch nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist aufgrund des dem
Jugendhilfeträger zustehenden Beurteilungsspielraumes (…) teilt das
Gericht nicht. Ganz entscheidendes Kriterium für die Ablehnung des
Antrags durch den Beklagten ist die angenommene fehlende
Kooperationsbereitschaft der Klägerin mit dem örtlich zuständigen Träger
der Jugendhilfe. Diese Einschätzung basiert ausschließlich auf den
Erfahrungen, die aus dem Zeitraum 2004 bis 2008 stammen und den in
dieser Zeit erbrachten Hilfe zur Erziehung bezüglich insbesondere der
Tochter X, aber auch der Tochter Y erbracht wurden. In dieser Zeit –
nachdem die Tochter X, die Kindesmutter von Z erlittenen Missbrauch
durch einen Nachbarn – war das Familiengefüge der Klägerin gänzlich
durcheinander geraten. Betroffen von dieser Situation war nicht nur X
selbst, sondern auch ihre 4 Jahre jüngere Schwester Y, die sich nach
Angaben der Klägerseite schon immer sehr eng mit ihrer älteren Schwester
verbunden fühlte, die Klägerin als Mutter der Mädchen und der Vater,
der sich in dieser Zeit zur Trennung von der Familie entschloss. Diese
Extremsituation verschärfte sich auch noch durch die frühe
Schwangerschaft von X im Jahre 2005, die zur heftigen Auseinandersetzung
der Tochter und auch ihrer Schwester mit der Mutter führte. Dass die
Klägerin in diesen Jahren nicht immer das von dem Beklagten erwartete
einsichtige und stets kooperative Verhalten zeigte, lässt sich den
Ausführungen der Beklagtenseite und dem Auszug aus dem diesbezüglichen
Akten (Handakte) entnehmen, führt aber bei gerichtlicher Überprüfung
nicht zu der Einschätzung, dass hieraus die Schlussfolgerung einer
grundsätzlichen Unfähigkeit oder fehlenden Bereitschaft zur
Zusammenarbeit mit dem Träger Jugendhilfe und durch die Klägerin
geschlossen werden kann. Es ist für das Gericht nach dem Gesamtvortrag
beider Parteien sehr gut nachvollziehbar, dass die damaligen Umstände
(aus den Jahren 2004 bis 2008) für beide Seiten schwierig und aufreibend
gewesen sind. Die Klägerin, die sich seinerzeit auch der Unterstützung
der Organisation Wildwasser bediente, geriet offenbar bisweilen in kaum
auflösbare Konflikte, welche Hilfen nun die am besten geeigneten seien.
Dass sie sich dem Beklagten gegenüber in dieser Extremsituation nicht
als besonders kooperativ darstellte, lässt jedoch den von der
Beklagtenseite gezogenen Schluss auf die aktuelle Situation nicht zu, da
hierbei in keiner Weise dargelegt wurde, aufgrund welchen allgemein
gültigen Bewertungsmaßstabs diese Übertragung auf die Betreuung des
Enkels erfolgt ist.
Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, inwiefern die Klägerin, die
seit dem Jahr 2008 konstant und auch davor schon bei Bedarf sporadisch
die Betreuung ihres Enkelkindes in offenbar beanstandungsfreier Weise
wahrnahm und weiter wahrzunehmen bereit ist, und die das Gespräch und
die Zusammenarbeit mit Kindergarteneinrichtungen, Therapeuten und
Jugendamt sucht, für diesen Zeitraum und auch für die Zukunft als
ungeeignete Pflegeperson qualifiziert wird. Es handelt sich hier um zwei
voneinander getrennte Lebenssituationen und Lebensabschnitte, die von
der Beklagtenseite in nicht nachvollziehbarer Weise als ein und derselbe
Lebenssachverhalt behandelt und dargestellt werden. Aus einem –
bisweilen sicherlich chaotischem Verhalten, das durch eine dramatische
Situation in der Familie durch den erlittenen Kindsmissbrauch der
Tochter X hervorgerufen wurde – auf künftig ähnliches Verhalten der
Klägerin in heute gänzlich veränderten Lebensumständen zu schließen,
verkennt eben diesen Umstand der eingetretenen Veränderungen, bzw. der
Verschiedenheit der Lebenssachverhalte.“