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Das Pflegekind im Umgangsverfahren

In der Praxis nicht einfach zu führen sind Gerichtsverfahren betreffend die Häufigkeit von Umgangskontakten zwischen Pflegekindern und leiblichen Eltern. Egal, ob es leibliche Eltern sind, welche häufigeren Umgangskontakt einfordern oder Pflegeeltern bzw. ein Vormund, welche versuchen, eine bestehende Umgangsregelung abändern zu lassen: Nach unseren Erfahrungen vertreten Gerichte hier oftmals – keinesfalls jedoch immer – elternfreundliche Positionen. Viele Gerichte setzen voraus, dass Umgangskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern grundsätzlich positiv und wichtig sind, wobei oftmals die erheblichen Belastungen der Kinder durch die Kontakte übersehen oder zumindest hingenommen werden. Auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bindungsforschung, die hier inzwischen ein sehr differenziertes Bild entwickelt hat, werden oftmals übergangen.

Hintergrund für diese Tendenz ist neben einem unterschwelligen „Mitleid“ für die Herkunftsfamilie sicherlich auch die schwierige gesetzliche Lage. Denn die im Gesetz geregelte Umgangsregelung, § 1684 BGB, ist im Grunde eine Regelung für Scheidungskinder und deren besondere Problematik. Dementsprechend stark ist das Umgangsrecht der leiblichen Eltern nach dem Wortlaut des Gesetzes ausgestattet. § 1684 I BGB lautet:

„Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.“

Dennoch lohnt es sich in jedem Fall, bei Gericht um eine kindeswohlgerechte Umgangsregelung zu kämpfen. Denn das BGB sieht durchaus die Möglichkeit der Einschränkung oder sogar Aussetzung von Umgangskontakten vor, wenn auch unter gewissen Voraussetzungen. So heißt es in § 1684 IV BGB:

„Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt“.

Im Umgangsverfahren sollte darauf geachtet werden jeweils aus Kindessicht vorzutragen, weshalb das Kindeswohl durch (häufige) Kontakte beeinträchtigt ist. Günstig ist, wenn hierzu konkrete Angaben im Hilfeplanprotokoll über Auffälligkeiten des Kindes usw. vermerkt wurden, da dann aus diesen Hilfeplanprotokollen zitiert werden kann. Nicht zuletzt werden die Umgangskontakte deswegen häufig schwierig sein, weil die Herkunftsfamilie den Verbleib des Pflegekindes in seiner Pflegefamilie nicht akzeptieren kann oder will und dem Kind bei den Kontakten, mindestens non-verbal entsprechende Signale übermittelt. Dies geht oftmals bis hin zu offenen „Abwebungsversuchen“ oder gar Aussagen, dass man das Pflegekind bald wieder „nach Hause“ holen werde. Dass gerade Pflegekinder hierauf besonders heftig und irritiert reagieren, liegt auf der Hand und ist mit dem existenznotwendigen Bedürfnis von Pflegekindern nach sicheren und konstanten Bezugspersonen ohne weiteres zu erklären. Stellvertretend für die wissenschaftliche Forschung verweisen wir hier etwa beispielhaft auf Ausführungen von Prof. Dr. Zenz (Der Österreichische Amtsvormund 1985, 96 ff.).
Dort heißt es:

„Auf dem Hintergrund des den Erwachsenen so fremden Zeiterlebens des kleinen Kindes und seiner existenz-notwendigen Suche nach einer neuen Bindung an Ersatzeltern werden vielleicht aber auch die Probleme verständlicher die so oft mit Besuchen der leiblichen Eltern verbunden sind (…) Zunehmend geraten die Besuche für das Kind in den Konflikt zwischen der alten und neuen Bindung, dem es auf die Dauer nicht gewachsen ist. Beginnt es nämlich, seine Pflegeeltern als Eltern zu akzeptieren, so wächst bei den Besuchen der leiblichen Eltern auch die Angst einer erneuten Bedrohung der mühsam neu gewonnenen Bindung und dies um so mehr, je deutlicher die Eltern ihre Ansprüche auf das Kind zu erkennen geben. Die häufig beobachteten Wiederauftauchen des Bettnässens bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen sind aus dem Gefühl des Kindes von einer elementaren Bedrohung seiner Sicherheit ohne weiteres verständlich.“

(Zenz, DÖV 1985, 95, 97, Hervorhebung durch den Verfasser)

Diese kinderpsychologischen Zusammenhänge sind Familiengerichten häufig nicht gut vertraut, da diese in der Praxis meist eher selten mit Pflegekindern zu tun haben. Empfehlenswert ist daher, diese wissenschaftliche Forschung in das Verfahren einzubringen.

Inzwischen existieren auch eine Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen, welche diese Besonderheiten entsprechend würdigen.

Hinsichtlich der üblichen Häufigkeit von Umgangskontakten bei Dauerpflegekindern hat das OLG Hamm im Beschluss vom 06.01.2004 (13 WF 540/03), soweit ersichtlich nicht veröffentlicht, deutlich Stellung genommen. Das OLG führt aus:

„(Umgang jeweils einmal alle 4 Wochen) liegt bereits an der Obergrenze. Üblich sind in der gegebenen Situation Besuchskontakte einmal alle 4, 6 oder 8 Wochen. Das genannte Regelmaß reicht nach den langjährigen Erfahrungen des Senats aufgrund vergleichbarer, mit fachkundigen Beteiligten geführter Verfahren aus, um einer Entfremdung des Kindes entgegenzuwirken, aber auch dem mit dem Umgang verbundenen Aufwand Rechnung zu tragen“.

In dem weiteren Beschluss hat das OLG Hamm (Beschluss vom 03.08.1999, 3 WF 259/99, FamRZ 2000, 1108) festgestellt:

„Zumindest ein zeitlich befristeter Ausschluss des Umgangs der leiblichen Eltern mit ihrem bei Pflegeeltern lebenden Kind kann angezeigt sein, um die Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung zu seinen Pflegeeltern nicht zu gefährden“.

Das OLG Celle führt in einem Beschluss vom 07.04.1999 (17 UF 314/98, FamRZ 2000, 48) aus, dass nur ein sehr eingeschränktes Umgangsrecht der leiblichen Eltern in Betracht komme. Denn die Pflegeeltern hätten

„anschaulich und glaubhaft geschildert, dass bei beiden Kindern jeweils nach Besuchskontakten mit den Eltern sehr starke und lange anhaltende Auffälligkeiten auftraten (…). Beiden Eltern fällt es schwer, ihren Wunsch, dass die Kinder zwar nicht sofort, aber doch in absehbarer Zeit wieder in ihren Haushalt zurückkehren, vor den Kindern zu verbergen. Dadurch besteht die Gefahr starker Loyalitätskonflikte der Kinder, so dass zur Zeit der Umgang nur an einem neutralen Ort, keinesfalls in der Wohnung der Eltern zu verantworten ist (…). Da aber die Eltern, wie sie nicht bestreiten, auch derzeit noch nicht wieder in der Lage sind, die Kinder zu betreuen und zu erziehen, diese also weiterhin bei den Pflegeeltern bleiben müssen, muss den Kindern in erster Linie Sicherheit und die Gewissheit vermittelt werden, in der Obhut der Pflegeeltern bleiben zu können. Das ist zur Zeit nur gewährleistet bei einem Umgang in relativ großen Zeitabständen, in denen die Kinder jeweils nach den Besuchen wieder zur Ruhe kommen können. (…) Dabei ist es hinzunehmen und dem Wohl der Kinder auch erforderlich, dass die Pflegeeltern, bei denen sie leben, ihre eigentlichen Bezugspersonen bleiben, die Eltern also zur Zeit nicht gleichberechtigt neben diesen stehen können“.

Das OLG Schleswig kam in einem Beschluss vom 10.06.1999 (15 UF 209/98, FamRZ 2000, 48 f.) zu einem befristeten Umgangsausschluss einer leiblichen Mutter mit ihrem knapp 11 Jahre alten, seit über 5 Jahren in einer Pflegefamilie lebenden Kind. Das OLG führt hierbei aus, dass sich das Pflegekind

„nachhaltig und eindeutig gegen ein Zusammentreffen mit seiner Mutter ausgesprochen (hat). Diesen Willen hält der Senat nicht nur für beachtlich, sondern mit Blick auf das Kindeswohl gegenüber den Belangen (der leiblichen Eltern) auch für ausschlaggebend. (…) Der angeordnete zeitweise Ausschluss des Umgangs ist derzeit erforderlich, um dem Kind eine – von der Frage des Umgangs unbehelligte – Entwicklung hin zu einer nicht von Ängsten besetzten Persönlichkeit zu ermöglichen. Die Weigerung des Kindes ist von einer – mit Händen zu greifenden – tief verwurzelten Angst gespeist, aus der Pflegefamilie herausgerissen zu werden“.

Trotz dieser zitierten und vieler weiterer Entscheidungen besteht im Bereich vom Umgangsrecht sicherlich noch erheblicher Nachbesserungsbedarf durch den Gesetzgeber. Denn gerade Umgangsentscheidungen werden je nach Einzelfall zu entscheiden sein. Gerichtliche Entscheidungen – auch die oben zitierten – können daher nicht ohne weiteres für andere Sachverhalte werden. Es wäre bereits dienlich, die eigentlich für Scheidungskinder konzipierte Umgangsvorschrift des § 1684 BGB würde für Pflegekinder entsprechend umgestaltet. Auch die BGH-Rechtsprechung, wonach Pflegeeltern gegen Umgangsrechtsbeschlüsse von Familiengerichten keine Beschwerde zum Oberlandesgericht einlegen können (BGH, FamRZ 05, 975 ff.) zieht in der Praxis große Schwierigkeiten nach sich. Auch hier wären Nachbesserungen des Gesetzgebers dringend von Nöten.

Quelle: RA Steffen Siefert

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Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2019

Der Deutsche Verein überprüft regelmäßig die Höhe der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege für die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Kosten für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen und passt sie einer eventuellen Steigerung der Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte an. Zudem prüft er, ob Änderungen der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung bzw. der Rentenversicherung erfolgt sind, die zu einer Anpassung seiner Empfehlungen führen.

Hier nun die Empfehlung für 2019

Alter des Pflegekindes
(von … bis unter … Jahren)
Kosten für den
Sachaufwand (€)
Kosten für die Pflege
und Erziehung
0 – 6560245
6 -12644245
12-18709245

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Keine Anrechnung von Pflegeversicherungsgeld auf das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII

Es gibt einen weiteren positiven Meilenstein der Rechtsprechung für Pflegeeltern. Bei wem Pflegeversicherungsgeld beim Mehrbedarf abgezogen wird durch sein Jugendamt, kann das Geld vom Jugendamt mit diesem begründeten Urteil zurückfordern. Einfach einen Überprüfungsantrag stellen.

Pflegeeltern aus dem Kreis Herzogtum-Lauenburg hatten gegen die Kürzung des Pflegegeldes für ihr schwerbehindertes Pflegekind geklagt. Der Kreis hat das zusätzliche Pflegeversicherungsgeld beim Mehrbedarf angerechnet und deshalb gekürzt.

Das BVerwG hat im November 2017 nun letztinstantlich dem Widerspruch und der Klage der Pflegeeltern zugestimmt.

Urteil des 5. Senats vom 24. November 2017 BVerwG 5 C 15.16 Jugendhilfe- und Jugendschutzrecht

Keine Anrechnung von Pflegeversicherungsgeld auf das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII

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Pflegegeld auch für Vormund

Häufig sind Pflegeeltern Vormund oder Vormünder für ihre Pflegekinder. Dies ist sicherlich auch regelmäßig vorzugswürdig. Pflegeeltern können entweder durch eine Entscheidung des Familiengerichts oder des Vormundschaftsgerichtes zu Vormündern bestellt werden.
Zu den näheren Hintergründen verweise ich insoweit auf http://www.pflegeelternrecht.de/pf/vormundschaft.php?detail=4

Nicht selten jedoch wird nach einer solchen Vormundschaftsübertragung auf die Pflegeeltern diesen das Pflegegeld verweigert. Dies geschieht häufig mit der Begründung, die dem Vormund obliegende Personensorge beinhalte nach § 1800, § 1631 I BGB auch das Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung des Mündels. Daher sei der erzieherische Bedarf des Kindes insoweit gedeckt. Es käme daher kein Anspruch mehr auf Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) in Betracht, mit der Folge, dass auch das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII nicht mehr bewilligt wird. Diese Auffassung ist jedoch falsch und nicht haltbar. Pflegeeltern steht auch dann das Pflegegeld zu, wenn diese Vormund sind!

Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung (NJW 1996, 2385) ganz eindeutig klargestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass auch einem Vormund, der ein Mündel, sein Pflegekind, in seiner Familie betreut, regelmäßig Hilfe zur Erziehung und damit Pflegegeld zustehen wird. In dieser Entscheidung vom 15.12.1995 (5 C 2/94) ist festgehalten:

1.Ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung und Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 SGB VIII setzt nicht voraus, dass die Herkunftsfamilie des Kindes oder Jugendlichen noch vorhanden ist.

2.Auch einem Vormund, der sein Mündel in seiner Familie betreut, kann Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege zustehen.

Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Vormund bereits nicht verpflichtet sei, die Betreuung seines Mündels selbst zu übernehmen. Es ist ausreichend, wenn er entsprechend hierfür Sorge trägt. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Vormund diese Leistung unentgeltlich erbringe. Zutreffend führt das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung aus:

„Damit (durch die Übertragung von Sorgerechtsangelegenheiten auf Pflegepersonen) soll die Betreuung erleichtert und verbessert, keinesfalls aber ihre finanzielle Absicherung verschlechtert werden. Dadurch, dass die Pflegeperson mit der Übertragung der Personensorge insoweit die Pflichten eines Pflegers erhält, soll der bisherige Unterhaltsbedarf des Kindes oder des Jugendlichen, der auch die Kosten der Erziehung um-fasst, nicht verringert werden; insbesondere bewirkt eine solche Übertragung der Personensorge auf die Pflegeperson nicht, dass die tatsächliche Erziehung des Kindes oder des Jugendlichen durch die Pflegeperson kostenlos wird“.

Pflegeeltern, welche die Vormundschaft inne haben und natürlich auch andere Vormünder haben damit gleichzeitig auch das Recht, einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und damit auch auf Pflegegeld zu stellen. Da diese Hilfe rückwirkend erst ab Antragstellung gewährt wird, und nicht etwa bereits ab Beginn der Pflege, sei dringend angeraten, schriftlich einen entsprechenden Antrag zu stellen. Vormündern, welchen das Pflegegeld gestrichen wurde, sei angeraten, hiergegen rechtliche Schritte einzulegen. Als Vormund hat man hier neben dem Antragsrecht ohne weiteres auch die Berechtigung zur Widerspruchseinlegung bzw. zur Klage.

Quelle: RA Steffen Siefert

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Der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 VI SGB VIII

Entscheidend für die Frage, welches Jugendamt für die Betreuung des Pflegeverhältnisses zuständig ist, ist die sog. örtliche Zuständigkeit. Diese ist in der recht komplizierten Vorschrift des § 86 SGB VIII geregelt. Örtlich zuständig ist zunächst regelmäßig das Jugendamt, in dessen Bereich die leiblichen Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ziehen leibliche Eltern in den Bereich eines anderen Jugendamtes, so führt dies regelmäßig dazu, dass auch ein anderes Jugendamt für das Pflegeverhältnis zuständig wird. Daneben gibt es Sonderregelungen, wenn das Sorgerecht (teilweise) entzogen wurde. Wie die meisten Pflegeeltern jedoch wissen, ändert sich dies nach zwei Jahren Pflegedauer. Dann wird das Jugendamt zuständig, in dessen Bereich die Pflegeeltern leben. Geregelt ist dies in § 86 Abs. 6 SGB VIII. Die Vorschrift lautet:

„Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1-5 der örtliche Träge zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.“

Der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit kann Vor- und Nachteile haben. Dass nach zwei Jahren, unabhängig vom Aufenthaltsort der leiblichen El-tern, das Jugendamt am Wohnort der Pflegeeltern zuständig wird und bleibt, ist zunächst sicherlich als Anerkennung der faktischen Eltern-Kind-Bindung zwischen Pflegekind und Pflegeeltern zu sehen. Der Standard-Kommentar Wiesner (SGB VIII, § 86 Rdnr. 33) führt hierzu aus:

„Die Vorschrift trägt der psychosozialen Realität Rech-nung, dass ein Kind oder ein Jugendlicher, das bzw. der längere Zeit mit anderen Personen zusammen lebt, die sich ihm liebevoll zuwenden, ein neues schützeswertes Eltern-Kind-Verhältnis begründen kann“.

Mögliches Problem: Fortbestand bisheriger Vereinbarungen
Die größere Ortsnähe für die Pflegeeltern und die Kenntnis der infrastruk-turellen Gegebenheiten wird häufig als Vorteil angesehen. Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass der Wechsel der Zuständigkeit nach zwei Jahren regelmäßig auch einen Bruch der Kontinuität in der Betreuung des Pflegeverhältnisses mit sich bringt, immer wieder auch durchaus neue Ansätze für die Bearbeitung des Pflegeverhältnisses. Je nach Sachbearbeiter kann der Wechsel dazu führen, dass das neue Jugendamt gänzlich andere Ansätze vertritt und verfolgt, etwa bei der Häufigkeit der Umgangsgestaltung oder ähnliches. Wie so häufig steht und fällt dies mit der jeweiligen Qualität des übernehmenden Jugendamtes bzw. Sacharbeiters. Besonders problematisch kann der Wechsel dann werden, wenn beim zuerst zuständigen Jugendamt ein freier Träger eingeschaltet wurde, welcher die Pflegeeltern qualitativ hochwertig betreut und begleitet. Es kommt hier nicht selten dazu, dass das nach zwei Jahren zuständige Jugendamt eine weitere Zusammenarbeit mit diesem freien Träger – in der Regel aus Kostengründen – nicht fortsetzen will. Als Beispiel sei genannt, dass das neu zuständige Jugendamt etwa keine Sonderpflegestellen („Westfälische Pflegefamilie“) anerkennt oder grundsätzlich nicht mit freien Trägern wie der Diakonie oä zusammenarbeitet und diese Vereinbarungen nicht übernehmen will. Nach der Rechtsprechung ist dabei leider auch das neu übernehmende Jugendamt nicht gezwungen, bestehende Verträge einfach zu übernehmen. Nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2004 (Aktenzeichen.: 5 B 80/04) kann nämlich „der Wechsel der Zuständigkeit nicht als Eintritt in ein fremdes Rechtsverhältnis nach Art einer Vertragsübernahme bewertet werden (…), sondern (es wird) die Begründung einer eigenen Wahrnehmungskompetenz bewirkt und der nunmehr zuständige örtliche Träger hat mit Wirkung für die Zukunft den Jugendhilfefall in eigener Verantwortung zu regeln“.

Die Möglichkeit des Wegfalls einer bewährten und qualitativ hochwertigen Beratung und Betreuung der Pflegeeltern aufgrund des Wechsels, insbesondere bei Betreuung durch einen freien Träger, wird von Pflegeeltern vielfach als erheblicher Nachteil erlebt. Nach der derzeitigen Rechtslage ist aber häufig schwierig, bei einem Wechsel die Beibehaltung der Betreuung durchzusetzen. Sind Pflegeeltern gleichzeitig auch Personensorgeberechtigte, wäre ein denkbarer Weg, sich hier auf das Wunsch- und Wahlrecht bei Beratung und Betreuung zu berufen, § 5 SGB VIII i.V. § 37 II SGB VIII. Ansonsten muss bezüglich dieses Nachteiles festgehalten werden, dass eine Neuregelung des Gesetzgebers zur Sicherung der Konstanz und der qualitativen Standards bei Beratung und Begleitung eines Pflegeverhältnisses geboten wäre. Denn derzeit können Pflegeeltern beim Wechsel der örtlichen Zuständigkeit nicht auf den Fortbestand der vertraglichen Ver-einbarung mit dem bisher zuständigen örtlichen Jugendamt vertrauen.

Voraussetzungen des Wechsels
Von derlei Problemen abgesehen, wird der Wechsel an das „heimische“ Jugendamt aber von Pflegeeltern oftmals als bereichernd angesehen. Nicht selten stellt sich sogar die Problematik, dass das zuständige Jugendamt nach zwei Jahren die Zuständigkeit nicht abgeben möchte. Die Frage, wann denn genau der Fall abgegeben werden muss, ist aber inzwischen höchstrichterlich eindeutig geklärt. Insbesondere ist geklärt, dass die Zuständigkeit kraft Gesetzes automatisch eintritt und nicht etwa erst eine Übernahmeentscheidung des alten Jugendamtes voraussetzt. Der BGH hat etwa im Urteil vom 23.07.03 (NJW 03, 3419 ff.) hierzu ausgeführt:

„Nach dem Wortlaut des § 86 VI SGB VIII tritt ein Zuständigkeitswechsel kraft Gesetzes ein (mwN) und bedarf daher keiner zuständigkeitsbegründenden Erklärung des übernehmenden Trägers der Jugendhilfe.(…). Zum Zeitablauf von zwei Jahren hinzukommen muss die Prognose für den künftigen Verbleib des Kindes oder Jugendlichen auf Dauer bei dieser Pflegeperson. Wann dies der Fall ist und wer diese Prognose anzustellen hat, wird in § 86 VI SGB VIII selbst nicht definiert. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Auslegung bedarf. Dabei ist es zu weitgehend, wenn der Begriff „auf Dauer zu erwarten“ so ausgelegt wird, dass die Rückkehr in die Herkunftsfamilie für alle Zeiten ausgeschlossen ist. Vielmehr ist es ausreichend, wenn prognostiziert wird, dass eine Rückkehr bis auf weiteres nicht zu erwarten ist und die Pflegeperson bereit und in der Lage ist, das Kind oder den Jugendlichen auf Dauer, d.h. mindestens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu betreuen (…). Grundlage für die Prognose sind daher die im Rahmen des Hilfe-plans bzw. auf seiner Fortschreibung getroffenen Feststellungen (mwN). Wenn nach einem zweijährigen Aufenthalt bei der Pflegeperson nach dem aktuellen Hilfeplan der noch bemessene Zeitraum des Verbleibs nicht auf wenige Monate begrenzt ist und konkret keine Rückkehr in die Herkunftsfamilie zu erwarten oder geplant ist, ist ein Zuständigkeitswechsel auf das Jugendamt des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Pflegeperson im Interesse einer ortsnahen Planung und Betreuung bei der Erziehungshilfe geboten (mwN). Folglich wird das Jugendamt am neuen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes oder Jugendlichen in aller Regel an die Einschätzungen des bisher zuständigen Jugendamtes gebunden sein (mwN). „
Der BGH führt in der zitierten Entscheidung sogar aus, dass ein Träger der Jugendhilfe seine gegenüber dem Kind bestehenden Amtspflichten verletzt, wenn er trotz des aus Gründen der Ortsnähe eingetretenen Zuständigkeitswechsels gem. § 86 VI SGB VIII rechtswidrig die Übernahme der Hilfeleistung ablehnt. Der BGH hat seine deutliche Rechtsauffassung etwa im Urteil vom 21.10.04 (FamRZ 05, 83 f.) wiederholt.

Sollte also ein Jugendamt entgegen des Wunsches von Pflegeeltern seine Zuständigkeit nach zwei Jahren nicht abgeben wollen, so bestehen hier regelmäßig gute Aussichten, dies auf der Grundlage der oben zitierten Rechtsprechung durchzusetzen.

Quelle: RA Steffen Siefert

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Durchsetzung von Pflegegeld durch Pflegeeltern

Voraussetzungen, Probleme, Lösungsvorschläge


Wird ein Kind in einer Pflegefamilie untergebracht und Tag und Nacht von den Pflegeeltern betreut, so geschieht dies regelmäßig im Rahmen der Vollzeitpflege. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte „Hilfe zur Erziehung“ nach §§ 27, 33 SGB VIII. § 27 SGB VIII gibt den Personensorgeberechtigten einen Anspruch auf entsprechende Hilfe zur Erziehung des Kindes, wenn eine dem Kindeswohl gerecht werdende Erziehung nicht gewährleistet ist und diese Hilfe für die Entwicklung des Kindes geeignet und notwendig ist. Das Gesetz hält eine ganze Reihe von möglichen Hilfeformen bereit. Als Hilfe kann etwa eine Erziehungsberatung gewährt werden, eine sozialpädagogische Familienhilfe oder eben auch eine Vollzeitpflege, § 33 SGB VIII. Eine solche Vollzeitpflege wird wohl bei den meisten Lesern des Paten vorliegen. Wurde eine solche Vollzeitpflege vom Jugendamt bewilligt, so hat dies mehrere rechtliche Folgen: So haben die Pflegeeltern gegenüber dem Jugendamt einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung (§ 37 II SGB VIII). Daneben ist automatische Folge der Hilfebewilligung auch, dass der notwendige Unterhalt des Pflegekindes sicherzustellen ist. Der notwendige Unterhalt umfasst zum einen die materiellen Aufwendungen, zum anderen die Kosten der Erziehung. Geregelt ist dies in § 39 I SGB VIII. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird ein monatliches pauschales Pflegegeld gewährt. Das Gesetz sieht vor, dass die zuständige Behörde, in der Regel das Landesjugendamt oder die Landesjugendbehörde, die pauschalen Pflegegeldsätze festsetzen kann. Soweit die Pflegegeldsätze entsprechend festgesetzt wurden, ist dies für die Jugendämter absolut verbindlich. Die Jugendämter können hiervon also nicht nach unten abweichen und nur ein geringeres Pflegegeld auszahlen. Ein Abweichen nach oben ist jedoch möglich, wenn die Besonderheiten des Einzelfalles dies geboten sein lassen, § 39 IV 2 SGB VIII. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Pflegefamilien besondere Erziehungsleistungen erbringen müssen, etwa bei behinderten oder auch traumatisierten Pflegekindern. Dann kann insbesondere in Frage kommen, dass eine erhöhte Erziehungspauschale gezahlt wird.

In der Praxis haben wir es jedoch immer wieder erlebt, dass einzelne Jugendämter mit den Pflegeeltern schriftliche Verträge abschließen, in welchen sich die Pflegeeltern bereit erklären, ein Pflegekind zu einem geringeren Betrag als von der Behörde festgelegt zu betreuen und zu erziehen. Nicht selten unterschreiben Pflegeeltern solche Verträge auch, da ihnen gar nicht bekannt ist, dass das eigentliche Pflegegeld höher liegt. Diese Praxis ist nach unserer Auffassung jedoch rechtswidrig, da die festgesetzten Pflegegeldsätze für die Jugendämter absolut verbindlich sind. Wir können daher Pflegegeld nur empfehlen, derartige Verträge nicht zu unterschreiben oder, falls dies aus Unkenntnis geschehen ist, hiergegen vorzugehen.

Häufig stellt sich hier jedoch folgende rechtliche Problematik: Obwohl das Pflegegeld einzig und alleine an die Pflegeeltern auszuzahlen ist, sind diese nach ganz überwiegender Rechtsprechung nicht Inhaber des Anspruches auf Pflegegeld. Das Bundesverwaltungsgericht (FamRZ 2002, 668 f.) verneint einen entsprechenden Anspruch der Pflegeeltern. Es stellt sich dabei auf den Standpunkt, die Zahlung von Pflegegeld hänge unmittelbar mit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege zusammen. Diese Hilfe steht jedoch nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 27 SGB VIII) nur dem Personensorgeberechtigten zu, also demjenigen, welcher die elterliche Personensorge für das Kind inne hat. Dies werden häufig die leiblichen Eltern sein, oder aber auch der Amtsvormund. Aus dieser Rechtsansicht folgt, dass Pflegeeltern nicht befugt sind, Widerspruch oder Klage einzulegen, wenn etwa Vollzeitpflege zu Unrecht gar nicht bewilligt wird, ein falsches Pflegegeld ausgezahlt wird usw. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Pflegeeltern – wie meistens – nicht Inhaber des Personensorgerechtes sind. Diese Rechtslage ist natürlich in höchstem Maße unbefriedigend für Pflegeeltern. Zwar gibt es Stimmen in der juristischen Literatur und auch vereinzelte Gerichtsentscheidungen, welche dies anders sehen und den Pflegeeltern die Befugnis zur Klage zusprechen. Spätestens seit der Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung müssen Pflegeeltern jedoch damit rechnen, dass sie zunächst nicht das Recht haben, sich beispielsweise gegen falsch festgesetztes Pflegegeld zu wehren. Hier wäre sicherlich dringend ein Handeln des Gesetzgebers erforderlich.

Was aber können Pflegeeltern in derartigen Situationen tun? Wenn die Sorgerechtsinhaberin Widerspruch einlegt bzw. klagt, ist die Angelegenheit grundsätzlich problemlos. Denn dann wird zulässigerweise ein Verfahren in Gang gesetzt, in welchem die falsche Behördenentscheidung überprüft werden kann. Häufig wird dies jedoch, etwa wegen Interessenkollisionen, schwierig sein. Außerdem müssen die Pflegeeltern, selbst wenn dies geschieht, darauf hoffen, dass Widerspruch bzw. Klage mit der nötigen Sorgfalt und der erforderlichen Sachkenntnis durchgeführt wird. Sie können nur bedingt Einfluss hierauf nehmen. Die Pflegeeltern könnten auch versuchen, stellvertretend für den Sorgerechtsinhaber zu klagen. Erforderlich hierfür ist eine Vollmacht. Das Einklagen „fremder Rechte in eigenem Namen“ ist aber umstritten. Das VG Aachen billigt dies den Pflegeeltern zu (AZ: 2 K 1433/02, nicht rkr.) Andere Entscheidungen verneinen dies jedoch. Denkbar wäre ferner, eine Zivilklage aus dem Pflegevertrag ans Amts- bzw. Landgericht einzureichen, anstatt gegen den Bescheid der Behörde beim Verwaltungsgericht. Aber auch dieses Vorgehen kann juristische Probleme aufwerfen. Wir empfehlen daher dringend, dass Pflegeeltern sich darum bemühen, selbst Inhaber des Rechtes zu werden, Hilfe zur Erziehung zu beantragen. Denn dann haben die Pflegeeltern auch selbst das Recht, gegen falsche Behördenentscheidungen Widerspruch einzulegen und Klage einzureichen! Die oben dargestellte Zulässigkeitsproblematik existiert dann nicht. Das Recht, Hilfe zur Erziehung zu fordern, ist ein Teil des Sorgerechtes. Daher erhalten Pflegeeltern dieses Recht dann, wenn sie das gesamte Sorgerecht übertragen bekommen oder zumindest dieses Einzelrecht. In ersterem Fall spricht man von „Vormundschaft“, in letzterem Fall von „Pflegschaft“. Steht das elterliche Sorgerecht noch den leiblichen Eltern zu und sind diese mit einer Übertragung auf die Pflegeeltern einverstanden, dann ist eine solche freiwillige Sorgerechtsübertragung nach § 1630 III BGB relativ problemlos möglich und vom Gesetzgeber im übrigen auch erwünscht. Schwieriger ist es, leiblichen Eltern das Sorgerecht gegen deren Willen zu entziehen. Wenn diese sich weigern, von ihrem Sorgerecht zum Wohle des Kindes Gebrauch zu machen und etwa gegen falsche Behördenentscheidungen vorzugehen, dürfte jedoch regelmäßig ein Missbrauch des Sorgerechtes vorliegen. In diesem Falle ist ein Antrag auf (teilweisen) Sorgerechtsentzug aussichtsreich. Dies gilt auch, wenn eine Amtsvormundschaft besteht. Gegenüber einem Amtsvormund sind Pflegeeltern als Einzelpersonen ohnehin bevorzugt. Hier wird auf den gesonderten Aufsatz zur Vormundschaft verwiesen.

Quelle: RA Steffen Siefert

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