Die vorliegende Expertise widmet sich dem Zusammenspiel
zwischen Pflegekinderhilfe und Vormundschaft, das bisher in Forschung
und Literatur wenig behandelt wurde.
Diese Schnittstelle wurde im Rahmen der Beschäftigung mit der
Weiterentwicklung der gesetzli-chen Grundlagen und der Praxis in der
Pflegekinderhilfe durch die Expert*innen des „Dialog-forums
Pflegekinderhilfe“ in den Blick genommen.
Den Hintergrund bildeten zum Einen die in der Praxis virulenten Kooperationsfragen: Aufgabenüberlappungen,
Komplexität der Fallkonstellationen und unterschiedliche Traditionen
und Perspektiven machen es in der Praxis nicht leicht, Vereinbarungen
zur Zusammenarbeit, die meist auf lokaler Ebene ausgehandelt werden, zu
erzielen.
Zum Zweiten stellt der gerade im Zuge der verstärkten Aufnahme von
unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten zunehmende Einsatz von
ehrenamtlichen Vormündern besondere Anforderungen an deren Gewinnung,
Auswahl, Qualifikation und Unterstützung.
Zum Dritten ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Expertise eine umfassende Neuformulierung des Vormundschaftsrechts in Planung. Das neue Recht soll auch Normen beinhalten, die Fragen der Kooperation insbesondere zwischen den Erziehungspersonen im Alltag und den Sorgeberechtigten (Vormund, Pfleger*in) betreffen und wird insofern eine neue Grundlage für das Kooperationsverständnis in der Praxis bieten.
In vielen Fällen sind Pflegeeltern selbst Vormünder für ihre Pflegekinder, haben also das gesamte Sorgerecht für diese übertragen bekommen. In vielen anderen Fällen wurde den Pflegeeltern vom Familiengericht zumindest Teilbereiche der elterlichen Sorge
übertragen, beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht
der Gesundheitsfürsorge, das Recht, in schulischen Angelegenheiten zu
bestimmen oder das Recht, Hilfe zur Erziehung zu beantragen. Letzteres,
also eine teilweise Sorgerechtsübertragung, lässt sich in der Praxis
oftmals durch die Vorschrift des § 1630 III BGB bewirken. Hiernach
können Pflegeeltern beantragen, Sorgerechtsteilbereiche übertragen zu
bekommen, wobei der Antrag jedoch die Zustimmung der sorgeberechtigten
Kindeseltern voraussetzt.
Unstreitig können Pflegeeltern, die Vormund für ihr Kind sind, hierfür eine sogenannte Aufwandsentschädigung
erhalten. Dies ist in § 1835 a BGB geregelt. Die Aufwandsentschädigung
soll die Kosten zur Führung der Vormundschaft pauschaliert abgelten. Der
Anspruch entsteht gegen die Staatskasse, wenn das Mündel, also das
Pflegekind, einkommenslos ist (§ 1836 a BGB). Haben Pflegeeltern die
Vormundschaft als Ehepaar, so kann jeder Ehepartner die
Aufwandsentschädigung beantragen. Nach unseren Erfahrungen wird dieser
Antrag oft aus Unkenntnis unterlassen. Zu beachten ist, dass die Aufwandsentschädigung erstmals ein Jahr nach Bestellung des Vormundes gezahlt wird. Diese muss jedoch binnen 3 Monaten nach Ablauf des Jahres , in dem sie entstanden ist, geltend gemacht werden.
Anderenfalls erlischt der Anspruch! Bei der Frage, wann diese Frist zu
laufen beginnt, hat sich inzwischen die Auffassung durchgesetzt, dass
dies jeweils das Jahresende ist. Nach der Rechtsprechung des OLG
Frankfurt/M. (FamRZ 2005, 393) beginnt diese Ausschlussfrist mit dem
Ende des jeweiligen Kalenderjahres, in welchem das Betreuungsjahr
geendet hat und läuft somit jeweils am 31. März ab. Dies vertritt
jetzt auch ausdrücklich Palandt-Diederichsen (66. Aufl. 2007, § 1835 a
Rn 6). Es wird daher dringend empfohlen, dass der Antrag jeweils
spätestens bis zum 31.03. eines jeden Jahres geltend gemacht wird. Zur
Fristwahrung genügt die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem
Gericht.
Umstritten war bislang die Frage, ob Pflegeeltern einen Anspruch auf
diese Entschädigung auch dann haben, wenn sie nicht Vormund sind,
sondern nur einzelne Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen
bekommen haben. Hier wurde häufig von Gerichten eingewendet, die
Aufwandsentschädigung stünde nur Vormündern zu. Im Übrigen jedoch wäre
sie ausgeschlossen, da die Pflegeeltern ja auch Pflegegeld erhalten
würden. Hierzu sind inzwischen mehrere positive Entscheidungen für
Pflegeeltern ergangen.
So hat das OLG Stuttgart (Beschluss vom 06.12.2005, FamRZ 2006, 1290 f.) festgestellt:
„Pflegepersonen, denen nach § 1630 III BGB Angelegenheiten der
elterlichen Sorge übertragen wurden, haben einen Anspruch auf
Aufwandsentschädigung nach § 1835 a BGB. Einer Bestellung zum Pfleger
bedarf es hierzu nicht.“
Das OLG führt in den Gründen aus:
„§ 1630 III Satz 3 BGB führt zu einer entsprechenden Anwendung der
Vorschriften über die Rechte und Pflichten eines Pflegers, soweit diese
nicht gerade die förmliche Stellung des Pflegers betreffen. (…) Danach
haben Pflegepersonen gem. §§ 1630 III Satz 3, 1915 I, 1835 a BGB einen Anspruch auf Aufwendungsersatz.
Im Umfang der Übertragung hat die Pflegeperson nicht nur die Pflichten,
sondern auch die Rechte eines Pflegers. Zu den Rechten des Pflegers
gehört nach §§ 1915 I, 1835 ff. BGB der Anspruch auf Aufwendungsersatz
oder Vergütung. Weder aus dem Gesetzeswortlaut des § 1630 III noch aus
dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass einer
Pflegeperson ein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 1835, 1835 a BGB nicht
zustehen sollte. Es ist nicht einzusehen, warum eine Pflegeperson, die
die Aufgaben eines Pflegers für bestimmte Bereiche wahrnimmt, im
Hinblick auf die Aufwandsentschädigung nicht so gestellt werden sollte
wie ein Pfleger. Ebenso wie z.B. ein Ergänzungspfleger nach § 1909 I BGB
haben deshalb Pflegepersonen, denen Angelegenheiten der elterlichen
Sorge übertragen wurden, einen Aufwendungsersatzanspruch aus § 1835 a
BGB, wobei hierfür die förmliche Bestellung in Abweichung der Regelung
für den Pfleger und den Vormund nicht Anspruchsvoraussetzung ist.“
Auch das OLG Hamm hat sich etwa dieser Auffassung angeschlossen. Im
Beschluss vom 27.07.2006 (6 WF 80/=6 OLG Hamm, soweit ersichtlich
unveröffentlicht) führt das OLG aus, dass dem Anspruch für Pflegeeltern
auf eine Aufwandsentschädigung nicht entgegensteht, dass die
Pflegeeltern „für beide Kinder Pflegegeld und Kindergeld beziehen“. Die
Verwaltungsabteilung des OLG hat in dieser Angelegenheit eine umfassende
Prüfung der Rechtslage angefertigt, auf welche sich das OLG in seinem
Beschluss bezieht. In dieser Stellungnahme der Verwaltungsabteilung wird
zutreffend ausgeführt:
„Den Pflegeeltern steht für die Wahrnehmung ihrer faktischen
Pflegetätigkeit aber keine Vergütung im eigentlichen Sinn zu. Das den
Pflegeeltern gewährte Pflegegeld ist zweckbestimmt zur täglichen
Versorgung und Erziehung des Pflegekindes (MüKo-Strick Rn 4 zu § 33 SGB
VIII und Rn 2 ff zu § 239 SGB VIII). Als solches ist es unpfändbar
(Bundesgerichtshof, NJW-RR 2006, 5) und wird auch sozialhilferechtlich
nicht als Einkommen der Pflegeeltern gewertet (OVG Münster, FamRZ 1996,
900). Dementsprechend ist dem Erlass über die Festsetzung der
Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege, die für die beiden Kinder derzeit
jeweils 693,00 € betragen und die sich aus einem Anteil für materielle
Aufwendungen und Kosten der Erziehung zusammensetzen (…) ausgeführt,
dass diese Beträge den gesamten Lebensbedarf der Kinder einschließlich
der Kosten ihrer Erziehung umfassen. Zu diesem Lebensbedarf gehören die
Kosten der Wahrnehmung der nach § 1630 III BGB übertragenen Aufgaben
nicht. Das zeigt zum einen der Umstand, dass sich das Pflegegeld nicht
erhöht, wenn der Aufgabenkreis und das Haftungsrisiko für die
Pflegeeltern durch Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge
nach § 1630 III BGB erweitert wird. Zum anderen erwachsen den
Pflegeeltern aus dieser Stellung eigene Verpflichtungen gegenüber dem
Gericht (…). Wegen des Pauschalcharakters kann (…) die
Aufwandsentschädigung des § 1835 a BGB in voller Höhe verlangt werden
(Bienwald in Anm. zu BayOblG, FamRZ 2002, 1222).“
Im Ergebnis ist daher auch allen
Pflegeeltern, welche (nur) Teilbereiche der elterlichen Sorge für ihre
Pflegekinder innehaben, anzuraten, entsprechende Anträge auf
Aufwandsentschädigung zu stellen. Auch dies muss innerhalb der oben
dargestellten 3-Monatsfrist geschehen, damit der Anspruch nicht
erlischt.
Eine Reihe guter rechtlicher und pädagogischer Gründe spricht
dafür, dass bevorzugt Pflegeeltern anstelle von Jugendämtern Vormund
ihrer Pflegekinder sein sollten. Rechtlich besteht ohnehin ein
entsprechender Vorrang.
Dennoch müssen Vormundschaften für Pflegeeltern in der Praxis häufig
gegen den Willen von Jugendämtern durchgesetzt werden. Regelmäßig
entscheiden die Gerichte hierbei jedoch im Sinne der Pflegeeltern.
In jüngster Zeit hat etwa das LG Frankfurt am Main und das LG
Wiesbaden die Vormundschaft jeweils mit sehr kindeswohlbezogenen
Argumenten auf die Pflegeeltern übertragen.
Das LG Frankfurt/M. hat in seinem Beschluss vom 16.02.2009 (FamRZ 09, 2103) ausgeführt:
1.
„Die Entlassung des Amtsvormundes und die Bestellung der Pflegeeltern zu
Einzelvormündern dient dem Wohl der betroffenen Kinder. Die mit der
Übertragung der Vormundschaft einhergehende größere rechtliche
Verbundenheit der Pflegeeltern zu den betroffenen Kindern und die
dadurch erhöhte Sicherheit, dass die Verbindung aufrechterhalten bleibt,
spricht ganz entscheidend für eine Übertragung der Vormundschaft auf
die Pflegeeltern.
2.
Es ist für die betroffenen Kinder von erzieherischem Vorteil, wenn sie
erleben, dass die emotionale Bezugsperson auch rechtliche Befugnisse
hat“.
Das LG Wiesbaden (Beschluss vom 03.09.08, FamRZ 09, 2103) führt aus:
1.
Die Bestellung geeigneter Einzelvormünder hat grundsätzlich Vorrang vor
einer Amtsvormundschaft, da die Einzelvormünder dem Wohl des Mündels im
allgemeinen besser und individueller dienen können als ein Amtsvormund.
2.
Gerade für ein Kind, das sehr sensibel und schnell verunsichert werden
kann, sind stabile Lebensverhältnisse und verlässliche Bezugspersonen
wichtig. Diese Stabilität und Verlässlichkeit kann dem Kind vermittelt
werden, wenn seine „sozialen“ Eltern künftig auch in der Lage sind, die
erzieherischen Entscheidungen eigenständig zu treffen.
Etwas älter aber immer noch aktuell ist auch die sehr kindzentrierte
Entscheidung des LG Hannover, die Sie unter „Wichtige Entscheidungen“
finden.
Pflegeeltern seien daher ermutigt, die Übernahme der Vormundschaft
anzustreben, da dies eine deutlich größere Rechtssicherheit für die
Pflegefamilie mit sich bringt.
Allerdings sei Pflegeeltern geraten, einen solchen Antrag nicht ohne
anwaltliche Beratung und Unterstützung zu stellen. Hier sollte aufgrund
der Familienrechtsreform vorsichtiger vorgegangen werden. Denn seit dem
01.09.2009 und der Geltung des FamFG ist nunmehr das Familiengericht für
die Entlassung des Amtsvormundes und die Bestellung eines
Einzelvormundes zuständig. Zuvor waren dies die Vormundschaftsgerichte.
Das FamFG hat die Vormundschaftsgerichte jedoch abgeschafft und an
dieser Stelle eine erweiterte Zuständigkeit des Familiengerichts
geschaffen. Anders als zuvor bei den Vormundschaftsgerichten werden die
Familiengerichte bei Prüfung nach Bestellung der Pflegeeltern als
Einzelvormünder nunmehr auch prüfen, ob nicht der Sorgerechtsentzug
gänzlich aufgehoben werden kann. Es muss hier also nun das Risiko
bedacht werden, dass ggf. das Gericht prüft, ob nicht das Sorgerecht
auch den leiblichen Eltern zurückübertragen werden kann. Denn nach § 166
FamFG iVm § 1696 BGB prüft das Familiengericht regelmäßig seine zum
Kinderschutz getroffenen Maßnahmen, so also auch einen
Sorgerechtsentzug. Die Vormundschaftsgerichte haben dies nach der
früheren Rechtslage nicht getan. Dies heißt natürlich keineswegs, dass
derartige Anträge zukünftig keinen Erfolg mehr haben. Es bedarf nun
jedoch zuvor einer sorgfältigen Abwägung. Nach Auffassung des
Unterzeichners ist die Rechtsprechung, welche bislang zum Vorrang der
Einzelvormundschaften ergangen ist, nach wie vor gültig und auch von den
Familiengerichten zu befolgen. Denn die entscheidenden gesetzlichen
Voraussetzungen für die Entlassung eines Amtsvormundes oder
Vereinsvormundes wurden nicht geändert. Dennoch bleibt nach der Reform
der Zuständigkeit und nunmehriger Abgabe dieser Aufgaben an das
Familiengericht die weitere Entwicklung abzuwarten. Einstweilen
empfiehlt sich daher zunächst jedenfalls eine sorgfältige Prüfung.
Viele Pflegeeltern stellen sich die Frage, ob sie die Religion
ihres Pflegekindes bestimmen oder eventuell ändern können. Häufig erhält
der Verfasser hier Anfragen von Pflegeeltern, ob nicht auch das
Pflegekind katholisch getauft oder evangelisch erzogen werden kann oder
ob das Kind eine sonst von den Pflegeeltern ausgeübte Religion annehmen
kann. Natürlich kann es von großer Wichtigkeit sein, dass ein Pflegekind
etwa die gleiche Religion annehmen kann, wie seine Pflegeeltern. Denn
gerade für Pflegekinder ist es wichtig, dass diese keine
Außenseiterposition in der Pflegefamilie einnehmen, sondern auch
hinsichtlich der gelebten Religion dazugehören. Oftmals ergeben sich
auch in stark religiös geprägten Gegenden Probleme, etwa wenn das
Pflegekind als einziges in der Klasse nicht katholisch ist und daher als
einziges Kind nicht an der Erstkommunion teilnehmen kann.
Grundsätzlich ist in der Praxis durchaus möglich, die religiöse
Zugehörigkeit eines Pflegekindes zu bestimmen, jedoch müssen einige
Besonderheiten berücksichtigt werden. Die erste und wichtigste Frage ist
insoweit, wer für das betroffene Pflegekind die elterliche Sorge
innehat. Denn das Recht, das religiöse Bekenntnis zu bestimmen, ist ein
Teil des Sorgerechtes für ein Kind. Mit anderen Worten: Grundsätzlich
kann (nur) der Inhaber der elterlichen Sorge die Religion des Kindes
bestimmen, wobei hier einige Besonderheiten zu beachten sind.
Steht die gesamte elterliche Sorge den leiblichen Eltern gemeinsam
zu, so können auch nur diese über die Religion des Kindes bestimmen.
Steht die elterliche Sorge etwa alleine der Kindesmutter oder dem
Kindesvater zu, so ist entsprechend auch nur die Kindesmutter oder der
Kindesvater hier-zu berechtigt. In rechtlicher Hinsicht ist dies im
Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15.07.1921 geregelt.
Dieses führt insoweit aus:
„§ 1 Über die religiöse Erziehung eines Kindes bestimmt die freie
Einigung der Eltern, soweit ihnen das Recht und die Pflicht zusteht, für
die Person des Kindes zu sorgen. Die Einigung ist je-derzeit
widerruflich und wird durch den Tod eines Ehegatten gelöst“.
Wenn also die elterliche Sorge noch bei den leiblichen Eltern oder
einem Elternteil liegt, kann leider das religiöse Bekenntnis eines
Pflegekindes nicht ohne entsprechende Zustimmung oder Einwilligung der
leiblichen Eltern geregelt werden. Weder Pflegeeltern noch Jugendamt
können dies in rechtlich zulässiger Weise tun.
Anders liegt die Sache jedoch, wenn das Sorgerecht gar nicht mehr den
leiblichen Eltern zusteht, sondern einem Vormund, etwa dem Jugendamt
oder den Pflegeeltern. Denn die Möglichkeit, das religiöse Bekenntnis
eines Kindes zu bestimmen, kann dann vom Vormund ausgeübt werden.
Es gelten jedoch hier zwei nachhaltige Besonderheiten:
Vormund hat nur Erstbestimmungsrecht bezüglich der Religion
Normalerweise kann ein Vormund alle Entscheidungen, welche der zuvorige
Sorgerechtsinhaber getroffen hat, wieder rückgängig machen. Hatten also
z.B. leibliche Eltern ein Kind in der A-Schule angemeldet und wurde
ihnen dann das Sorgerecht entzogen, so könnte der Vormund diese
Ent-scheidung der Eltern wieder rückgängig machen und das Kind, wenn er
dies aus Kindeswohlgründen für angezeigt hält, z.B. auf der B-Schule
anmelden. Dieser Grundsatz, dass getroffene Sorgerechtsentscheidungen
vom späteren Vormund abgeändert werden können, gilt jedoch nicht für die
Religion! Haben leibliche Eltern zu der Zeit, als ihnen das Sorgerecht
noch zustand, für ihr Kind bereits eine religiöse Bestimmung getroffen,
so kann ein Vormund diese Bestimmung nicht mehr abändern. Eine solche
Abänderung ist auch dann nicht mehr möglich, wenn etwa den Kindeseltern
das Sorgerecht entzogen wurde. Haben leibliche Eltern also vor einem
Entzug der elterlichen Sorge die Religion ihres Kindes bereits
„geregelt“, so ist dieses Recht gleichsam „verbraucht“. Ein späterer
Vormund kann diese religiöse Bestimmung dann nicht mehr ändern. Auch
dies folgt aus dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung. Dort heißt
es in § 3:
„§ 3 Steht die Sorge für die Person eines Kindes einem Vormund oder
Pfleger allein zu, so hat dieser auch über die religiöse Erziehung des
Kindes zu bestimmen. Er bedarf dazu der Genehmigung des
Familiengerichts. Vor der Genehmigung sind die Eltern sowie
erforderlichenfalls Verwandte, Verschwägerte und die Lehrer des Kindes
zu hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung oder un-verhältnismäßige
Kosten geschehen kann. Der § 1779 Abs. 3 Satz 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs findet entsprechende Anwendung. Auch ist das Kind zu hören,
wenn das 10. Lebensjahr vollendet hat. Weder der Vormund noch der
Pfleger können eine schon erfolgte Bestimmung über die religiöse
Erziehung ändern.“
Haben die Kindeseltern zu der Zeit, als sie das Sorgerecht noch
innehat-ten, jedoch keinerlei Bestimmung über die Religion getroffen,
hierzu nichts geregelt oder sich schlichtweg keine Gedanken gemacht, so
ist dieses Recht noch „frei“ und „unverbraucht“. Mit anderen Worten:
Dann kann der Vormund erstmals das religiöse Bekenntnis eines Kindes
bestimmen. Denn ihm kommt nach dem oben zitierten Gesetz das sog.
Erstbestimmungsrecht zu.
Vormund muss familiengerichtliche Genehmigung einholen
Sofern der Vormund das religiöse Bekenntnis des Kindes also bestimmen
kann, ist jedoch noch eine zweite Besonderheit zu beachten. Der Vormund
muss insoweit zunächst eine Genehmigung des Familiengerichtes einholen,
das Kind z.B. katholisch taufen lassen zu können. Auch dieses
Erfordernis erfolgt aus § 3 des Gesetzes über die religiöse
Kindererziehung, wie oben zitiert. Aus dieser Vorschrift ist auch
abzuleiten, dass das Familiengericht vor Erteilung der Genehmigung die
Eltern anhört und auch das betroffene Kind, wenn dieses bereits 10 Jahre
alt ist. Den Eltern kommt hier aber nicht etwa ein „Veto-Recht“ zu.
Diese haben die Gelegenheit sich zu äußern. Die Argumente der
Kindeseltern gegen die von den Pflegeeltern gewünschte religiöse
Bestimmung sind vom Gericht zur Kenntnis zu nehmen. Letztlich aber muss
sich das Familiengericht bei der Genehmigungserteilung vom Kindeswohl
leiten lassen.
Daher kann ein Vormund, sofern er das Erstbestimmungsrecht noch inne
hat, für das Pflegekind regelmäßig mit guten Argumenten eine
entspre-chende Genehmigung beim Gericht durchsetzen.
Der Verfasser konnte hier etwa für Pflegeeltern, welche gleichzeitig
auch Vormünder ihres Kindes waren, beim Amtsgericht Recklinghausen
durchsetzen, dass die katholische Taufe des Kindes gegen den Willen der
leiblichen Eltern genehmigt wurde.
In seinem Beschluss vom 11.10.2011 (45 F 423/10) hat das AG Reckling-hausen ausgeführt:
„Die katholische Taufe des Kindes wird genehmigt.
Der Kindesmutter ist mit Beschluss vom 30.03.2009 die elterliche Sorge
für das am 01.06.2008 geborene Kind entzogen worden (…). Das Kind lebt
seit dem 01.06.2009 bei seinen Pflegeeltern, denen mit Beschluss vom
18.11.2010 die Vormundschaft übertragen worden ist. Die Pflegeeltern
beantragen, die katholische Taufe des Kindes zu genehmigen. Zur
Begründung tragen sie vor, der Pflegevater sei katholisch, ihr
gemeinsames leibliches Kind sei katholisch getauft worden und besuche
die katholische Grundschule. Diese solle (das Pflegekind) später auch
besuchen. Voraussetzung hierfür sei grund-sätzlich, dass das Kind die
katholische Konfession besitze. Die Kindesmutter erklärt sich mit einer
katholischen Taufe des Kindes nicht einverstanden. Sie möchte, dass (das
Pflegekind) irgendwann selbst entscheidet, welcher Religion sie
angehört. Das Jugendamt (…) befürwortet den Antrag der Antragsteller.
Auf den Bericht des Jugendamts vom 13.09.2011 wird Bezug genommen.
Der Antrag, das Kind katholisch taufen zu lassen, wird genehmigt. Den
Pflegeeltern steht nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Religiöses
Kindererziehungsgesetz (RelKErzG) das Recht zu, über die religiöse
Erziehung des Kindes zu bestimmen, da ihnen die Vormundschaft übertragen
worden ist. Sie bedürfen hierzu jedoch nach § 3 Abs. 2 Satz 2 RelKErzG
der Genehmigung des Familiengerichts.
Die Genehmigung ist zu erteilen, da diese nach den getroffenen
Feststellungen dem Wohl des Kindes entspricht. Das Kind lebt bereits
seit dem 01.06.2009 bei den Pflegeeltern. Bei der Aufnahme war erst zwei
Monate alt. Zu der Kindesmutter besteht kein Kontakt. Mit einer
Rückführung des Kindes zu der Kindesmutter ist derzeit nicht zu rechnen.
Um eine noch intensivere Bindung des Kindes zu seinen Pflegeeltern und
dessen ebenfalls katholisch getauften Kind herzustellen, ist die
katholische Taufe erforderlich. Das Kind wird sich in den nächsten
Jahren bewusst werden, ob es katholisch, evangelisch oder gar nicht
getauft worden ist. Es wird kaum nachvollziehen können, warum es anders
als das Kind der Pflegeeltern nicht katholisch getauft worden ist. Es
ist zu erwarten, dass es dem gleichen Glauben angehören will, den auch
die Pflegeeltern und deren Kind besitzen. Es kommt damit nicht
entscheidend darauf an, ob es zur Aufnahme in die katholische
Grundschule getauft sein muss. Über das religiöse Bekenntnis kann das
Kind nach § 5 RelKErzG selbständig erst mit Vollendung des 14.
Lebensjahres entscheiden. Zur intensiveren Bindung des Kindes an seine
Pflegeeltern erscheint es jedoch erforderlich, das Kind vorher
katholisch taufen zu lassen. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres hat
das Kind dann das Recht, sich für einen anderen Glauben zu entscheiden.
Die Pflegeeltern und die Kindesmutter sind persönlich angehört worden.
Von der Anhörung des Kindes ist im Hinblick auf dessen Alter abgesehen
worden.“
Diese sehr kindzentrierte Entscheidung auch gegen den Willen der
leibli-chen Mutter zeigt also, dass es grundsätzlich gute Aussichten
gibt, das religiöse Bekenntnis eines Kindes entsprechend zu bestimmen,
jedenfalls wenn die oben besprochenen formalen Voraussetzungen gegen
sind.
Freies Entscheidungsrecht ab 14 Jahren Steht das Sorgerecht noch den leiblichen Eltern zu und verweigern diese die Einwilligung, dann muss das Pflegekind leider bis zum 14. Lebensjahr warten. Ab dem 14. Lebensjahr hat man die sog. „Religionsmündigkeit“, kann also auch gegen den Willen eines Sorgerechtsinhabers – und auch gegen leibliche Eltern – sein religiöses Bekenntnis selbst bestimmen. Dies folgt aus § 5 RelKErzG. Die Vorschrift lautet:
„Nach der Vollendung des 14. Lebensjahres steht dem Kind die
Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösem Bekenntnis es sich halten
will. Hat das Kind das 12. Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen
seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden.“
Voraussetzungen der Übernahme, Vorteile und Nachteile
Von herausragender Bedeutung ist für Pflegeeltern die Frage, wer das
Sorgerecht für ihr Pflegekind besitzt. Bei Geburt des Pflegekindes liegt
das Sorgerecht meistens bei den leiblichen Eltern oder der leiblichen
Mutter alleine. Vor der Herausnahme des Kindes aus der Herkunftsfamilie
kommt es jedoch in etlichen Fällen dazu, dass entweder das ganze
Sorgerecht oder zumindest Teile davon den Kindeseltern entzogen werden.
Häufig geschieht dies vor der Inpflegegabe, während das Kind in einer
Bereitschaftspflege ist oder wenn das Kind erst kurze Zeit in seiner
Pflegefamilie lebt. In diesen Fällen wird von den Familiengerichten das
Sorgerecht größtenteils entweder auf das Jugendamt übertragen, oder aber
auf einen Verein, wie der Diakonie, dem SKF usw. Wird das gesamte
Sorgerecht auf das Jugendamt übertragen, dann spricht man von einer
Amtsvormundschaft. Wird das gesamte Sorgerecht auf einen Verein
übertragen, dann spricht man von einer Vereinsvormundschaft. Werden
hingegen nur einzelne Teile des Sorgerechtes, z.B. das
Aufenthaltsbestimmungsrecht oder die Gesundheitsfürsorge übertragen, so
spricht man von einer Pflegschaft.
Für etliche Pflegeeltern dürfte es Normalität sein, dass das Sorgerecht für ihr Pflegekind immer noch beim Jugendamt oder einem Verein liegt, obwohl das Pflegekind bereits seit vielen Jahren in der Pflegefamilie lebt und die Pflege auch auf Dauer angelegt ist. In diesen Fällen sollten Pflegeeltern überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn sie anstelle des Jugendamtes selbst die Vormundschaft übernehmen. Denn die Bedeutung des Sorgerechtes für ein Pflegeverhältnis kann nicht unterschätzt werden:
Vorteile der Vormundschaft für Pflegeeltern Zum einen dürfte es bereits aus pädagogischen Gründen für das Pflegekind sinnvoll sein, wenn dieses erlebt, dass seine Pflegeeltern, welche ohnehin die tatsächliche Verantwortung innehaben, auch die rechtliche Verantwortung innehaben. Denn dies verschafft den Pflegeeltern eine viel größere Rechtssicherheit. Erfahrungsgemäß überträgt sich diese Sicherheit der Pflegeeltern äußerst positiv auf das Pflegekind, welches ja meist aufgrund seiner Vorgeschichte in besonderem Maße auf Stabilität angewiesen ist. Aber auch und insbesondere in rechtlicher Hinsicht ist die Übernahme der Vormundschaft von herausragender Bedeutung. Liegt das Sorgerecht etwa beim Jugendamt, so haben die Pflegeeltern lediglich die Alltagssorge inne, § 1688 BGB. Die Pflegeeltern dürfen also nur in regelmäßig wiederkehrenden Angelegenheiten von untergeordneter Wichtigkeit selbst entscheiden. Dies gilt im Grunde auch, wenn sie über eine entsprechende Vollmacht vom Vormund verfügen. Solange das Sorgerecht etwa beim Jugendamt oder einem Verein liegt, kann jede Entscheidung der Pflegeeltern, auch aufgrund einer Vollmacht, wieder rückgängig gemacht werden.
Einen herausragenden Schutz bietet die Vormundschaft für Pflegeeltern
gegen etwaige Herausnahmeabsichten. Das Sorgerecht umfasst unter
anderem auch das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht. Liegt dieses
bei den Pflegeeltern, dann müssen diese nicht befürchten, dass etwa
abrupt eine Herausnahme verlangt werden kann. Dies kommt jedoch durchaus
immer wieder vor, oftmals gerade dann, wenn Pflegekinder in die
Pubertät kommen. Häufig treten dann bei Pflegekindern besondere
Schwierigkeiten auf, die regelmäßig mit den Bindungsstörungen dieser
Kinder zusammenhängen. In nicht wenigen Fällen wird dann von
Jugendämtern argumentiert, die Pflegeeltern seien mit diesem schwierigen
Kind überfordert, und das Kind müsste die Pflegefamilie verlassen, um
in einer „Profi-Pflegefamilie“ o.ä. untergebracht werden. Würden die
Pflegeeltern hier die Vormundschaft haben, dann könnte das Jugendamt
mangels Aufenthaltsbestimmungsrechts das Pflegekind nicht herausfordern,
es sei denn, es würden erhebliche Gefährungstatbestände bei den
Pflegeeltern vorliegen, die in eine Inobhutnahme rechtfertigen. Das
Jugendamt müsste dann zuerst das Familiengericht einschalten und einen
Sorgerechtsentzug beantragen, was den Pflegeeltern jedoch ausreichend
Zeit und Gelegenheit gibt, sich zu wehren.
Aber auch in anderer Hinsicht ist es sinnvoll, wenn die Pflegeeltern
Vormünder werden. Sie könnten z.B. als Inhaber des Rechtes, schulische
Angelegenheiten zu bestimmen, die Schulform auswählen, als Inhaber der
Gesundheitsfürsorge in alleiniger Verantwortung erforderliche
medizinische oder therapeutische Maßnahmen einleiten, eine
Namensänderung für ihr Pflegekind beantragen usw. Diese Maßnahmen
müssten dann nicht jeweils mit dem Vormund „ausgefochten“ werden.
Natürlich mag es insoweit häufig sinnvoll sein, unterschiedliche
Fachmeinungen zu diskutieren. Letztlich wird aber niemand das Pflegekind
so gut kennen wie die Pflegeeltern. Daher sollten diese letztlich auch
die Verantwortung treffen können, zumal dann, wenn ein faktisches
Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist.
Sehr wichtig ist die Vormundschaft für Pflegeeltern auch, wenn etwa
Streit um die Höhe des Pflegegeldes oder andere ergänzende Hilfen zur
Erziehung bestehen. Nur der Personensorgeberechtigte nämlich hat ein
Antragsrecht auf Hilfen zur Erziehung (vgl. § 27 Abs. 1 SGB VIII). Nur
wir das Antragsrecht besitzt, kann dann aber auch gegen eine etwaige
Ablehnung einer solchen Hilfe Klage einreichen. Wird Pflegeeltern etwa
ein zu geringes Pflegegeld ausgezahlt, dann könnten diese – selbst wenn
offensichtlich erkennbar das Pflegegeld zu gering ist – das Jugendamt
hiergegen nicht beim Verwaltungsgericht verklagen, wenn sie nicht
mindestens Inhaber des Sorgerechtsteiles sind, Hilfen zur Erziehung zu
beantragen.
Nachteile der Vormundschaft für Pflegeeltern Natürlich kann die Übernahme der Vormundschaft auch Nachteile mit sich bringen. Kehrseite der entsprechenden Sorgerechte ist, dass hieraus natürlich auch entsprechende Pflichten folgen. Wer Sorgerechtsinhaber ist, muss das Sorgerecht auch verantwortlich im Sinne des Kindes ausüben und sich um anstehende Probleme kümmern. Würden etwa Streitigkeiten mit den leiblichen Eltern um die Umgangshäufigkeit entstehen, dann müssten die Pflegeeltern als Vormünder sich insoweit mit den leiblichen Eltern auseinandersetzen (wobei sie allerdings Anspruch auf Unterstützung durch das Jugendamt hätten). Würden die leiblichen Eltern häufigere Umgangsrechte vor Gericht einfordern, dann wäre ein solcher Antrag automatisch gegen die Pflegeeltern als Vormünder gerichtet. Der Verfasser hält diesen vermeintlichen Nachteil aber letztlich eher für einen Vorteil. Denn ein solches Verfahren um Ausdehnung von Umgangskontakten würde natürlich massiv in den Alltag der Pflegefamilie eingreifen. Daher wird es als günstig angesehen, wenn man als Vormund ohne wenn und aber in diesem Gerichtsverfahren beteiligt ist, gegen etwaige falsche Entscheidungen eines Gerichtes Rechtsmittel einlegen kann usw. Pflegeeltern sollte jedoch bewusst sein, dass sie als Vormünder bei Streitigkeiten automatisch „Antragsgegner“ werden können. Weitere Pflichten wären etwa die Prüfung, ob für das Pflegekind ein Erbteil ausgeschlagen werden muss, wenn etwa ein leiblicher Elternteil des Pflegekindes verstirbt. Würde der Vormund nicht binnen der 6-Wochen-Frist (§ 1944 BGB) das Erbe ausschlagen, würde das Pflegekind erben. Wäre der Nachlass verschuldet, hätte das Pflegekind evtl. erhebliche Schulden geerbt. Hierfür könnten die Pflegeeltern als Vormünder haften, wenn sie nach Bekanntwerden des Erbfalles nicht sorgfältig prüften, ob das Erbe nicht besser ausgeschlagen werden muss.
Unter dem Strich überwiegen jedoch nach Meinung des Verfassers bei
weitem die Vorteile. Insbesondere die größere Rechtssicherheit, die sich
regelmäßig positiv auf die Pflegekinder überträgt, kann nicht
unterschätzt werden. Erst die Übernahme der Vormundschaft erlaubt es
Pflegeeltern häufig, eigene Ansprüche zu stellen und im Sinne der Kinder
gegen die Jugendämter, notfalls vor Gericht, durchzusetzen. Daher seien
Pflegeeltern ermutigt, die Vormundschaft für ihre Pflegekinder
jedenfalls dann zu übernehmen, wenn diese beim Jugendamt oder bei einem
Verein liegt.
Rechtliche Voraussetzungen – Vorrang der Pflegeeltern Denn insoweit hat der Gesetzgeber Pflegeeltern auch ausdrücklich einen entsprechenden Vorrang eingeräumt. Es ist ganz herrschende Meinung, dass Pflegeeltern vorrangig zu Vormündern zu machen sind. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. So heißt es etwa in § 1791 b BGB für die Amtsvormundschaft:
(1) Ist eine als ehrenamtlicher Einzelvormund geeignete Person nicht
vorhanden, so kann auch das Jugendamt zum Vormund bestellt werden.
In § 1791 a BGB heißt es hinsichtlich der Vereinsvormundschaft: (1) Ein rechtsfähiger Verein kann zum Vormund bestellt werden, wenn er vom Landesjugendamt hierzu für geeignet erklärt worden ist. Der Verein darf nur zum Vormund bestellt werden, wenn eine als ehrenamtlicher Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden ist oder wenn er nach § 1776 als Vormund berufen ist; die Bestellung bedarf der Einwilligung des Vereins.
Aus dieser Formulierung wird ganz überwiegend abgeleitet, dass Einzelpersonen vorrangig sind. Damit sind dann natürlich auch Pflegeeltern vorrangig. Sind die Pflegeeltern verheiratet, dann können sie vom Familiengericht auch gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden (§ 1775 BGB). Auch aus anderen Vorschriften folgt, dass es einen rechtlichen Vorrang für Pflegeeltern gibt. So ist etwa in § 56 Abs. 4 SGB VIII festgehalten:
(4) Das Jugendamt hat in der Regel jährlich zu prüfen, ob im
Interesse des Kindes oder des Jugendlichen seine Entlassung als
Amtspfleger oder Amtsvormund und die Bestellung einer Einzelperson oder
eines Vereins angezeigt ist, und dies dem Familiengericht mitzuteilen.
Gleichwohl sieht die Praxis leider anders aus. Nur wenige Jugendämter
etwa regen von sich aus beim Familiengericht an, dass die Vormundschaft
auf die Pflegeeltern übergeht. Häufig genug versuchen die Jugendämter
trotz der oben geschilderten eindeutigen Rechtslage, unbedingt im Besitz
des Sorgerechts zu bleiben. Nicht selten wird dies dadurch motiviert
sein, dass die Jugendämter hier natürlich die entsprechenden rechtlichen
Befugnisse und die hieraus folgende Macht behalten wollen. In der
Praxis wird meist reflexhaft als Argument vorgebracht, Pflegeeltern
seien keine geeigneten Einzelpersonen, da die Eigenschaft als
Pflegeeltern sich nicht mit den Rechten und Pflichten eines Vormundes
vereinbaren lassen. Häufig wird auch vorgebracht, es stünden schwierige
Auseinandersetzungen mit den leiblichen Eltern an, welche die
Pflegeeltern als Vormünder nicht bewältigen würden.
Grundsätzlich jedoch lassen sich die Einzelvormundschaften für
Pflegeeltern vor Gerichten gut durchsetzen. Zahllose
Rechtsprechungsbeispiele belegen, dass die Gerichte auch gegen den
etwaigen Widerstand von Jugendämtern die Vormundschaften hier letztlich
auf die Pflegeeltern übertragen.
Ich verweise hier beispielhaft auf die Entscheidung des LG Hannover zur
vorrangigen Bestellung von Pflegeeltern zu Vormündern anstelle des
Jugendamtes (FamRZ 2007, 1909 f.). Das Landgericht hat in dem
entschiedenen Fall ausgeführt:
„Aus den grundsätzlichen Bedenken des JA zu möglichen Belastungen
oder Überforderungen von Einzelvormündern im Verhältnis zu auch
außerordentlich schwierigen leiblichen Eltern kann auch nicht in
Verbindung mit den konkreten Ankündigungen der Mutter, auf jeden Fall
den Kontakt suchen zu wollen, geschlossen werden, die hier betroffenen
Pflegeeltern seien zu gegebener Zeit sicherlich überfordert und das
Vertrauensverhältnis zugunsten der Kinder gefährdet. (…) Sollte es in
der zur Zeit noch nicht einmal absehbaren Zukunft zu der Frage der
Anbahnung und Durchführung von Besuchskontakten der leiblichen Mutter
kommen, hätten die Pflegeeltern auch als Vormünder Anspruch auf Beratung
und Unterstützung des JA. Unabhängig davon hat das JA auch bei
Vormündern von sich aus die Möglichkeit, notfalls über das
Vormundschaftsgericht Einfluss zu nehmen“.
Das LG Flensburg (FamRZ 01, 445) führt im Tenor seiner Entscheidung aus: 1) Der Vorrang der Einzelvormundschaft vor der Vereins- und der Amtsvormundschaft ermöglicht die Bestellung geeigneter Pflegeeltern zu Vormündern ihrer Pflegekinder. 2) Der Umstand, dass Mitarbeiter des Jugendamts aufgrund ihrer Fachlichkeit in der Anbahnung und Durchführung von Besuchskontakten zu den leiblichen Eltern der Kinder geschickter als deren Pflegeeltern sein können, reicht nicht aus, den Vorrang der Einzelvormundschaft von Pflegeeltern zu beseitigen“.
Auch in kinderpsychologischer Hinsicht ist die Einzelvormundschaft vorzuziehen. Ich verweise hier auf die zutreffenden Ausführungen des Kammergerichtes (FamRZ 02, 267 f.). Der Senat hat in dem entschiedenen Fall zutreffend ausgeführt: „Für (das Pflegekind) erfüllt eine Vormundschaft am besten ihren Sinn, wenn es erlebt, dass die Person, die ihn täglich erzieht, auch rechtlich befugt ist, ihn zu erziehen“.
Der Vorrang der Einzelvormundschaft entspricht daher üblicherweise dem Kindeswohl. Es könnte hier noch etliche weitere Rechtsprechung zitiert werden. Auf meiner Webseite sind hier unter „wichtige Entscheidungen“ noch weitere Fundstellen, etwa des LG Frankfurt/M. und des LG Wiesbaden (FamRZ 09, 2103) zu finden.
Wie sollen Pflegeeltern nun vorgehen, welche gerne die Vormundschaft übernehmen wollen? Hier sei zunächst angeraten, dass Pflegeeltern sich anwaltlich fachkundig beraten lassen. Denn trotz der an sich eindeutigen Rechtslage wird eine genaue Prüfung der Situation wegen der Familienrechtsreform empfohlen. Denn seit dem 01.09.2009 und der Geltung des FamFG ist nunmehr das Familiengericht für die Entlassung von Amtsvormündern oder Vereinsvormündern zuständig. Zuvor waren dies die Vormundschaftsgerichte. Das FamFG hat die Vormundschaftsgerichte jedoch abgeschafft und an dieser Stelle eine erweiterte Zuständigkeit des Familiengerichtes geschaffen. Anders als zuvor bei den Vormundschaftsgerichten werden die Familiengerichte bei Prüfung der Bestellung von Pflegeeltern als Einzelvormünder nunmehr voraussichtlich auch prüfen, ob nicht der Sorgerechtsentzug gänzlich aufgehoben werden kann. Es muss hier also nun das Risiko bedacht werden, dass ggf. das Gericht prüft, ob nicht das Sorgerecht auf die leiblichen Eltern zurückübertragen werden kann. Denn nach § 166 FamFG iVm § 1696 BGB prüft das Familiengericht regelmäßig seine zum Kinderschutz getroffenen Maßnahmen, so also auch einen Sorgerechtsentzug. Die Vormundschaftsgerichte haben dies nach der früheren Rechtslage nicht getan. Dies heißt natürlich keineswegs, dass derartige Anträge zukünftig keinen Erfolg mehr haben. Es bedarf nun jedoch zuvor einer sorgfältigen Abwägung. Nach Auffassung des Verfassers ist die Rechtsprechung, welche bislang zum Vorrang der Einzelvormundschaften ergangen ist, nach wie vor gültig und auch von den Familiengerichten zu befolgen. Es empfiehlt sich nunmehr jedoch eine sorgfältigere Prüfung als zuvor. Hinzu kommt natürlich, dass sich die Jugendämter oft gegen die Übernahme der Vormundschaft aussprechen. Auch hier empfiehlt sich anwaltliche Unterstützung für die Gegenargumentation.
Ablauf des Verfahrens Zur Einleitung des Verfahrens müssen Pflegeeltern beim Familiengericht einen Antrag auf Entlassung des Jugendamtes oder des Vereines als Vormund einreichen, § 1887 BGB. Nach dieser Vorschrift muss das Familiengericht das Jugendamt oder einen Verein entlassen, wenn eine geeignete Einzelperson vorhanden ist. In dem Antrag sollte daher die bisherige Lebensgeschichte des Pflegekindes und seine Einbindung in die Pflegefamilie dargestellt werden. Auch Rechtsvortrag, ggf. weiterer Sachvortrag wird sinnvoll sein. Der Antrag wird dann dem Jugendamt bzw. dem Verein mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersendet. Es ist davon auszugehen, dass die Familiengerichte nun regelmäßig auch den leiblichen Eltern hier Gelegenheit zur Stellungnahme geben werden. Nach dem Austausch von entsprechenden Meinungen durch Schriftsätze findet ggf. eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende das Familiengericht einen Beschluss erlässt und die Pflegeeltern entweder zu Vormündern bestellt oder diesen Antrag zurückweist. In letzterem Falle können die Pflegeeltern binnen eines Monats eine Beschwerde gegen diese Entscheidung zum Oberlandesgericht einlegen.
Aufwandsentschädigung Sind Pflegeeltern Vormünder oder Pfleger geworden, dann können diese nach § 1835 a BGB eine Aufwandsentschädigung geltend machen. Diese beträgt jährlich derzeit ca. 323,00 €. Die Aufwandsentschädigung entsteht erstmals ein Jahr nach Bestellung als Vormund. Sie wird von der Staatskasse erstattet, wenn das Pflegekind kein eigenes Vermögen hat. Verfügt das Pflegekind über ein Vermögen, würde die Aufwandsentschädigung auch ausgezahlt, dann jedoch aus dem Vermögen des Kindes, so dass in diesem Falle der Antrag evtl. nicht gestellt werden sollte. Wichtig ist: Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung erlischt, wenn er „nicht binnen 3 Monaten nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entsteht, geltend gemacht wird“ (§ 1835 a Abs. 4 BGB). Beispiel: Jährt sich die Vormundschaft von Pflegeeltern etwa am 30.09.2010 erstmalig, dann muss der Antrag auf Aufwandsentschädigung nachweislich bis spätestens zum 31.03.2011 beim Familiengericht eingereicht werden.
Ganz überwiegend ist es sinnvoll, wenn Pflegeeltern auch das
Sorgerecht für ihr Pflegekind besitzen. Abgesehen davon, dass diese
ohnehin die engsten Bezugspersonen des Kindes sind, also das Kind und
seine Bedürfnisse am besten kennen, ist es meist auch ein deutlicher
Gewinn für das Pflegekind. Denn gerade Pflegekinder sind in einem hohen
Maß auf Sicherheiten angewiesen. Häufig haben Pflegekinder eine von
Bindungsabbrüchen geprägte Biografie und haben Bezugspersonenwechsel
erlebt. Es ist bekannt, dass derartige Erlebnisse bei Pflegekindern dazu
führt, dass diese äußerst leicht irritierbar sind, insbesondere was die
Sicherheit angeht, in ihrer Pflegefamilie verbleiben zu können. Für
Pflegekinder ist es daher ein großer Vorteil, wenn diese erleben können,
dass ihre Pflegeeltern nicht nur die tatsächliche, sondern auch die
rechtliche Verantwortung für sie innehaben. Haben die Pflegeeltern etwa
das Aufenthaltsbestimmungsrecht, dann können sie dem Kind eine weit
größere Sicherheit vermitteln, dass es bei ihnen verbleiben kann. Nicht
zuletzt werden sich natürlich auch die Pflegeeltern sicherer fühlen und
dies auf die Kinder ausstrahlen.
Wie aber können Pflegeeltern das Sorgerecht übernehmen? Hier muss man
zunächst deutlich die Ausgangslage unterscheiden, also zunächst
untersuchen, wo das Sorgerecht aktuell überhaupt liegt.
Wurde das Sorgerecht den Kindeseltern entzogen und einem Jugendamt oder
einem Verein übertragen, liegt also eine Amtsvormundschaft oder eine
Vereinsvormundschaft vor, dann können sich Pflegeeltern auf einen
entsprechenden gesetzlichen Vorrang berufen, wonach Einzelvormünder
gegenüber einem Amtsvormund oder einem Vereinsvormund vorrangig sind.
Pflegeeltern haben dann sehr realistische Aussichten, vom Gericht
anstelle des Jugendamtes oder des Vereins als Vormünder verpflichtet zu
werden. Zu dieser Ausgangslage verweise ich auf meinen Aufsatz
„Vormundschaft für Pflegeeltern – Voraussetzungen der Übernahme,
Vorteile und Nachteile“, welchen Sie ebenfalls auf dieser Webseite
finden.
Weit weniger einfach ist die Situation, wenn das Sorgerecht noch bei
den leiblichen Eltern liegt. Denn insoweit ist das Sorgerecht von
leiblichen Eltern natürlich stark geschützt. Eine Sorgerechtsübertragung
gegen den Willen leiblicher Eltern auf Pflegeeltern ist grundsätzlich
schwer durchsetzbar.
Die „klassische“ Vorschrift, auf deren Grundlage leiblichen Eltern das
Sorgerecht entzogen werden kann, ist § 1666 BGB. Nach dieser Vorschrift
kann leiblichen Eltern das Sorgerecht (nur) dann entzogen werden, wenn
diese das Sorgerecht missbräuchlich und zum Nachteil des Kindes ausüben.
Insoweit heißt es in § 1666 Abs. 1 BGB:
„Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder
sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in
der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die
Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind“.
„Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere
Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie
zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen“.
Aufgrund dieser Gesetzeslage und natürlich auch wegen des
grundgesetzlich geschützten Elternrechts nach Art. 6 II GG ist es
schwierig, leiblichen Eltern das Sorgerecht gegen deren Willen entziehen
zu lassen, wenn diese die erforderlichen Entscheidungen zum Wohle des
Kindes letztlich „vernünftig“ mittragen. Aus diesem Grunde behalten etwa
auch erziehungsungeeignete leibliche Eltern regelmäßig das Sorgerecht
trotz einer Dauerpflege, wenn diese mit dem Verbleib des Kindes in der
Pflegefamilie einverstanden sind und einen entsprechenden Antrag auf
Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII gestellt haben. Falls gleichwohl durch
das Jugendamt versucht wird, den Kindeseltern das Sorgerecht entziehen
zu lassen, so enden diese Verfahren überwiegend damit, dass ein
entsprechender Antrag des Jugendamts zurückgewiesen wird. Die Gerichte
argumentieren dann regelmäßig, die Eltern wären zwar nicht
erziehungsgeeignet, hätten das Sorgerecht aber nicht missbräuchlich,
sondern sogar verantwortlich im Sinne des Kindes ausgeübt. Denn die
Kindeseltern wären schließlich mit dem Pflegeverhältnis einverstanden.
Es existiert aber noch eine weitere, juristisch deutlich einfachere
Möglichkeit, das Sorgerecht von den Kindeseltern bzw. einem alleine
sorgeberechtigten Elternteil auf die Pflegeeltern übertragen zu lassen.
Bei dieser Möglichkeit ist nicht erforderlich, dass die Kindeseltern ihr
Sorgerecht missbräuchlich und zum Nachteil des Kindes ausüben.
Hierdurch soll ermöglicht werden, dass das Sorgerecht von Kindeseltern
auf Pflegeeltern auch aus rein pragmatischen Erwägungen heraus
übertragen werden kann, und zwar ohne, die strengen Voraussetzungen des §
1666 BGB. Insoweit werden also nur sehr geringe rechtliche
Anforderungen gestellt. Allerdings setzt diese Möglichkeit die
Zustimmung der sorgeberechtigten leiblichen Eltern bzw. des alleine
sorgeberechtigten Elternteils voraus. Es handelt sich insoweit um die
etwas versteckte Vorschrift des § 1630 Abs. 3 BGB. Diese lautet:
„Geben die Eltern das Kind für längere Zeit in Familienpflege, so
kann das Familiengericht auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson
Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen.
Für die Übertragung auf Antrag der Pflegeperson ist die Zustimmung der
Eltern erforderlich. Im Umfang der Übertragung hat die Pflegeperson die
Rechte und Pflichten eines Pflegers“.
Es erscheint eigentlich naheliegend, dass eine solche freiwillige
Sorgerechtsübertragung bei Gericht problemlos umsetzbar sein sollte.
Tatsächlich jedoch erlebt der Verfasser in seiner Praxis immer wieder,
dass Gerichte diese Vorschrift entweder gar nicht kennen oder falsch
anwenden. Nicht selten wird dem Verfasser von Pflegeeltern geschildert,
dass diese mit Zustimmung eines sorgeberechtigten Elternteils bei
Gericht eine Sorgerechtsübertragung beantragt haben, dass diese von den
Gerichten jedoch abgelehnt wurde. Die Ablehnung erfolgt meist mit den
Gründen, eine Sorgerechtsübertragung könne trotz Freiwilligkeit nicht
erfolgen, weil der sorgeberechtigte Elternteil doch nichts „verkehrt
gemacht“ habe und die Sorgerechtsübertragung „auch nicht notwendig“ sei.
Seitens der Gerichte wird dann häufig argumentiert, die
sorgeberechtigten Eltern müssten das Sorgerecht behalten. Es könnte
allenfalls mit Vollmachten gearbeitet werden.
Gerichte, welche in dieser Form argumentieren, haben ersichtlich nur
an die klassische Vorschrift des § 1666 BGB gedacht. Diese setzt, wie
oben dargestellt, in der Tat voraus, dass ein Sorgerecht missbräuchlich
ausgeübt wurde. Es wurde dabei übersehen, dass der Gesetzgeber mit §
1630 III BGB ausdrücklich und nur für Pflegeeltern die Möglichkeit
schaffen wollte, unkompliziert ein Sorgerecht jedenfalls mit Zustimmung
des sorgeberechtigten Elternteils auf Pflegeeltern übertragen zu können.
Insoweit müssen gerade nicht die strengen Voraussetzungen des § 1666
BGB erfüllt sein.
Aber auch aus anderen Gründen wird eine derartige
Sorgerechtsübertragung in der Praxis häufig – zu Unrecht – abgelehnt.
Häufig sind auch Jugendämter dagegen, dass Pflegeeltern das Sorgerecht
übertragen bekommen. Nach der Erfahrung des Unterzeichners argumentieren
Jugendämter, teilweise aber auch Gerichte, eine freiwillige
Sorgerechtsübertragung könne nicht vorgenommen werden, es sei doch nicht
„notwendig“, das Sorgerecht übertragen zu lassen.
Aber auch diese Auffassung ist falsch. Auf eine Notwendigkeit kommt
es gar nicht an. Im Grunde ist für die Sorgerechtsübertragung
ausreichend, dass sowohl Pflegeeltern als auch sorgeberechtigte Eltern
bzw. sorgeberechtigter Elternteil beide einverstanden sind und dass die
Übertragung des Sorgerechts auf die Pflegeeltern dem Kindeswohl nicht
widerspricht.
Dies hat etwa das OLG Koblenz eindeutig entschieden. In jenem vom
Verfasser bearbeiteten Fall hatten die Pflegeeltern mit Zustimmung der
Kindesmutter eine Sorgerechtsübertragung beim Amtsgericht beantragt. Das
Amtsgericht hat diese letztlich abgelehnt und ausgeführt, eine
Sorgerechtsübertragung käme nicht in Betracht. Denn ein Eingriff in das
Sorgerecht der Kindesmutter scheitere trotz deren Zustimmung an den
Voraussetzungen. Es sei nicht notwendig, der Kindesmutter das Sorgerecht
zu entziehen, so das Amtsgericht.
Der Unterzeichner hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.
In der Entscheidung des OLG Koblenz vom 28.07.2014 (7 UF 431/14) hat
das OLG der Beschwerde der Pflegeeltern stattgegeben und diesen das
Personensorgerecht für ihr Pflegekind übertragen. In den Gründen der
Entscheidung heißt es:
„Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist begründet und führt
zur Übertragung der Personensorge auf diese. Gem. § 1630 Abs. 3 BGB kann
das Familiengericht, wenn Eltern ihr Kind für längere Zeit in
Familienpflege gegeben haben, auf Antrag der Eltern oder der
Pflegeperson – mit Zustimmung der Eltern – Angelegenheiten der
elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen. Dies hat nichts mit
einem Entzug der elterlichen Sorge gegen den Willen der Eltern nach §
1666 BGB zu tun. Vielmehr wirken hier Eltern und Pflegeeltern
einvernehmlich zusammen; zudem kann das mit Zustimmung des
sorgeberechtigten Elternteils für die Pflegeperson begründete Sorgerecht
jederzeit durch Widerruf der Zustimmung beendet werden. Erforderlich
für die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Pflegeeltern ist
lediglich eine Kindeswohlprüfung nach § 1697a BGB (vgl. Palandt/Götz,
BGB, 73. Aufl., § 1630 Rdnr. 8). Dessen Voraussetzungen liegen hier vor. § 1630 Abs. 3 BGB soll sicherstellen, dass ein Kind, das sich seit
längerer Zeit in Familienpflege befindet, von der Pflegeperson
ordnungsgemäß betreut werden kann, insbesondere besonderen
Erfordernissen in der Betreuung des Kindes Rechnung getragen werden
kann, die über die Angelegenheiten des täglichen Lebens, in denen die
Entscheidung sowieso der Pflegeperson obliegt (§ 1688 BGB) hinausgehen.
A. befindet sich seit mehr als 5 Jahren bei den Antragstellern in
Familienpflege. Er ist ein schwerbehindertes Kind, das ständiger
medizinischer Betreuung bedarf und regelmäßig zu Ärzten oder in
Krankenhäuser gebracht werden muss, um Behandlungen und Therapien
durchführen zu lassen. Hierbei ist in der Regel die vorherige Zustimmung
der sorgeberechtigten Mutter erforderlich. Gleichzeitig müssen
Behördenangelegenheiten erledigt und Anträge für das Kind gestellt
werden, etwa um Zuschüsse zu den entsprechenden Therapien oder sonstige
Leistungen zu erhalten. Auch hierzu bedarf es jeweils der Zustimmung der
Mutter. Es dient letztlich dem Kindeswohl, wenn die Pflegeeltern diesen
„Umweg“ nicht mehr gehen müssen und direkt und schnellstmöglich die zum
Wohl des Kindes erforderlichen Entscheidungen treffen und die
erforderlichen Maßnahmen einleiten können. Dies gilt für beide
Pflegeeltern.
Die allein sorgeberechtigte Mutter hat die erforderliche Zustimmung zu
der Übertragung sowohl in I. Instanz als auch auf nochmalige Anfrage des
Senats diesem gegenüber erteilt. Dies führt dazu, dass dem Antrag der
Pflegeeltern stattzugeben und ihnen die Personensorge für das Kind zu
übertragen ist“
Falls also eine alleine sorgeberechtigte Kindesmutter, ein alleine
sorgeberechtigter Kindesvater oder gemeinsam sorgeberechtigte
Kindeseltern damit einverstanden sind, dass das Sorgerecht bzw. Teile
hiervon auf die Pflegeeltern übertragen werden, gibt es mit § 1630 III
BGB eine in juristischer Hinsicht recht unkomplizierte und in der Praxis
häufig übersehene Möglichkeit einer Sorgerechtsübertragung auf die
Pflegeeltern.